Rz. 6

Stark für Wechselbezüglichkeit[39] spricht es, wenn gleichlautende Verfügungen der Ehegatten bzw. Verfügungen in der "Wir"-Form im gemeinschaftlichen Testament vorliegen.[40] Alleine das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments sagt nichts über die Frage der Wechselbezüglichkeit aus.[41] Gegen Wechselbezüglichkeit spricht eine unterschiedliche Regelung der beiden Erbfälle.[42] Die Bestimmung, dass nach dem Tod des Überlebenden nach der gesetzlichen Erbfolge geteilt werden solle, kann wechselbezüglich sein und eine bindende Einsetzung der gesetzlichen Erben bedeuten.[43] War Sinn und Zweck des gemeinschaftlichen Testaments die Absicherung der gemeinsamen Kinder, so spricht auch dies stark für Wechselbezüglichkeit.[44] Aber auch, wenn nur die Kinder des vorverstorbenen Ehegatten als Schlusserben eingesetzt sind, soll dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung für Wechselbezüglichkeit sprechen. In diesen Fällen enterbt der Vorverstorbene zugunsten des Überlebenden seine eigenen Kinder. Es soll daher naheliegen, dass der Vorverstorbene dies nur tut, weil der Überlebende im Gegenzug dafür als Schlusserben die Kinder des Vorverstorbenen einsetzt.[45] Für Wechselbezüglichkeit soll es auch sprechen, wenn der Überlebende eine nur mit dem Vorverstorbenen verwandte oder diesem nahestehende Person als seinen Schlusserben eingesetzt hat.[46] In wechselbezüglicher Beziehung zueinander können nicht nur Verfügungen in einer Testamentsurkunde stehen, sondern auch Verfügungen, die in zwei getrennten Urkunden enthalten sind, die auch nicht gleichzeitig errichtet sein müssen.[47] Dabei kommt es darauf an, ob der späteren Verfügung ein Hinweis entnommen werden kann, dass es der Wille der Ehegatten war, das frühere Testament um eine Wechselbezüglichkeit zu ergänzen. Dies wird umso eher angenommen werden können, je kleiner der zeitliche Abstand zwischen der Errichtung der beiden Urkunden ist.[48]

[39] Vgl. hierzu das ABC der Indizien für und wider Wechselbezüglichkeit bei Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2270 Rn 28 ff.
[40] RGZ 88, 33; OLG Hamm FamRZ 1994, 1210; BayObLG FamRZ 2001, 1734; BayObLGZ 1964, 95, 100.
[41] BayObLG NJW-RR 1987, 1410; BayObLG ZEV 1994, 362.
[43] OLG Karlsruhe FGPrax 2007, 87.
[44] BayObLG FamRZ 1993, 360, OLG München v. 13.9.2010 – 31 Wx 119/10, ZErb 2010, 266 = NJW-RR 2011, 227 = FamRZ 2011, 679, 681.
[45] So OLG München v. 28.3.2011 – 31 Wx 93/10, ZErb 2011, 212 = NJW-RR 2011, 1020 = FamRZ 2011, 1817.
[46] OLG Saarbrücken v. 16.9.2014 – 5 W 47/14, Rn 23, zit. nach juris = ZEV 2015, 433.
[47] Mayer, in: Reimann/Bengel/Mayer, § 2270 Rn 7, 26.
[48] BayObLG NJW-RR 1999, 878; LG München FamRZ 2000, 705.

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