Rz. 20
Aus der Wechselbezüglichkeit einer Schlusserbeneinsetzung kann nicht ohne weiteres auf eine Wechselbezüglichkeit einer Ersatzerbeneinsetzung geschlossen werden. Wenn eine Ersatzerbenstellung alleine auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht, so ist eine Kombination dieser Auslegungsregel mit der des Abs. 2 nicht möglich. Vorgehend ist jedoch stets zu prüfen, ob sich im Wege der Auslegung nicht ein Wille zur Einsetzung von Ersatzerben ergibt, und sei es auch aus Umständen, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen. Dann ist eine Anwendung der Auslegungsregel des Abs. 2 auf die so gefundenen Ersatzerben möglich. Die Kombination der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit den Auslegungsregeln des § 2102 Abs. 1 BGB und § 2097 BGB soll jedoch weiterhin möglich sein. Das OLG Schleswig hält die Frage der Möglichkeit einer Kombination von § 2102 Abs. 1 BGB mit § 2270 Abs. 2 BGB für nicht geklärt, ohne dass es in dieser Entscheidung darauf angekommen wäre und ohne dass sich das OLG Schleswig damit näher auseinandersetzt. Die Ansicht, die weiterhin eine Kombinationsmöglichkeit des § 2270 Abs. 2 mit § 2097 BGB oder § 2102 Abs. 1 BGB bejaht, ist m.E. zu bezweifeln. Es erscheint vielmehr näherliegend, die Argumentation des BGH zur nicht möglichen Kombination der Auslegungsregeln der § 2069 BGB mit § 2270 Abs. 2 BGB auf die beiden anderen Auslegungsregeln zu übertragen. Sowohl die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB als auch des § 2097 BGB kommt nur zur Anwendung, wenn sich nicht durch eine vorrangig vorzunehmende individuelle Auslegung des Testaments eine konkrete letztwillige Verfügung ermitteln lässt. Gleiches gilt für § 2270 Abs. 2 BGB. Bejaht man eine Kombination der Auslegungsregeln, bewegt man sich auf schwankenden, weil rein auf hypothetischen Annahmen beruhenden Boden, denn wie es der BGH formuliert, führt dies "dazu, daß ein durch individuelle Auslegung nicht feststellbarer Wille zur Bindung bezüglich einer durch individuelle Auslegung nicht zu ermittelnden Verfügung angenommen werde. Eine derartige Gesetzesanwendung lasse sich nicht mehr mit allgemeinen Erfahrungen rechtfertigen". Bei den Fallgruppen der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB kann nach der zugrundeliegenden Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Verfügung des einen die Gegenleistung für die Verfügung des anderen ist. Dies rechtfertigt es, den Verfügungen der Ehegatten im Wege der Auslegungsregel eine Wechselbezüglichkeit auch dann beizulegen, wenn sich ein entsprechender Wille durch individuelle Auslegung nicht feststellen lässt. Bei einer allein aus § 2069 BGB hergeleiteten Ersatzerbenstellung trifft dieser innere Rechtfertigungsgrund des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zu. § 2069 BGB sagt nämlich für sich genommen über die Bindungswirkung in einem gemeinschaftlichen Testament nichts aus und hindert somit den überlebenden Ehegatten nicht an einer Änderung der nach dieser Vorschrift berufenen Ersatzerbfolge. Diese Argumentation lässt sich m.E. zwanglos auf die Auslegungsregeln der § 2097 BGB und § 2102 Abs. 1 BGB übertragen. Auch hier würde die jeweilige Kumulation mit der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB dazu führen, dass ein nicht feststellbarer Wille zur Bindung in Bezug auf eine durch individuelle Auslegung nicht feststellbare Verfügung angenommen wird. Eine solche Gesetzesanwendung lässt sich nicht mehr durch einen allgemeinen Erfahrungssatz rechtfertigen. Zudem ist für den BGH entscheidend, dass es für die Feststellung der Wechselbezüglichkeit auch nach § 2270 Abs. 2 BGB auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommt, während es für § 2069 BGB auf den Zeitpunkt des Schlusserbfalles ankommt. Da auch die Auslegungsregeln der § 2102 Abs. 1 BGB und § 2097 BGB nach der Testierung eintretende Umstände tatbestandlich voraussetzen, erscheint auch insoweit die Argumentation des BGH eher anwendbar als nicht anwendbar zu sein.