I. Allgemeines
Rz. 1
§ 2270 BGB ermöglicht i.V.m. § 2271 BGB, durch gemeinschaftliches Testament bindende sog. wechselbezügliche oder korrespektive Verfügungen zu treffen und damit ohne notarielle Form weitgehend ähnliche Ziele wie durch eine vertragsmäßige Verfügung in einem Erbvertrag zu erreichen, §§ 2278 Abs. 1, 2290 BGB. Entscheidend ist daher, welchen Verfügungen die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament den Charakter der Wechselbezüglichkeit beimessen wollten.
Rz. 2
Ein gemeinschaftliches Testament kann wechselbezügliche und nicht wechselbezügliche Verfügungen enthalten. Das gemeinschaftliche Testament muss aber nicht unbedingt eine wechselbezügliche Verfügung enthalten. Demnach gibt es kein wechselbezügliches Testament, sondern lediglich einzelne wechselbezügliche Verfügungen. Dies sagt schon der Wortlaut des Abs. 1 der Vorschrift. Alleine das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments sagt daher nichts über die Frage der Wechselbezüglichkeit aus. Und alleine daraus, dass sich eine Verfügung in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament befindet, kann daher nicht auf ihre Wechselbezüglichkeit geschlossen werden. Ebenfalls kann alleine aus dem Umstand, dass eine Klarstellung zur Wechselbezüglichkeit fehlt, nicht darauf geschlossen werden, dass Wechselbezüglichkeit nicht gewollt war. Werden in dem Testament nur Dritte bedacht, so handelt es sich um ein bloß gleichzeitiges oder rein äußerliches gemeinschaftliches Testament (sog. Testiergemeinschaft) unter Ausnützung der Formerleichterung des § 2267 BGB. Wenn sich die Ehegatten darin zwar gegenseitig, aber unabhängig voneinander bedenken, handelt es sich um ein gegenseitiges (sog. reciprokes) gemeinschaftliches Ehegattentestament.
II. Begriff der Wechselbezüglichkeit
Rz. 3
Die heute gängige Definition der Wechselbezüglichkeit geht zurück auf die Protokolle zum BGB. Wechselbezüglich i.S.d. Vorschrift sind diejenigen Verfügungen der Ehegatten, die jede mit Rücksicht auf die andere getroffen ist und die miteinander stehen und fallen sollen. Untersucht werden muss daher, ob einer der Ehegatten eine Verfügung vorgenommen hat, die ohne die Verfügung des anderen nicht gewollt sein würde. Für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Anordnungen wechselbezüglich i.S.d. Abs. 1 sind, ist ausschließlich auf den übereinstimmenden Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen. Es besteht kein allg. Erfahrungssatz, dass Eheleute ihre in einem gemeinschaftlichen Testament erklärten letztwilligen Verfügungen als insgesamt wechselseitig bindend ansehen. Dabei haben die Rspr. und die allgemeine Meinung in der Lit. über den Wortlaut des Abs. 1 hinaus auch die lediglich einseitige Wechselbezüglichkeit anerkannt. Diese ist gegeben, wenn nur die Verfügung des einen Ehegatten von der des anderen abhängig ist, im umgekehrten Verhältnis aber keine Abhängigkeit besteht. §§ 2270, 2271 BGB sind auf diese Konstellation analog anzuwenden. Wechselbezüglichkeit kann unabhängig davon vorliegen, ob die Ehegatten sich einander bedenken.
III. Wechselbezügliche Verfügung
Rz. 4
Da ein gemeinschaftliches Testament wechselbezügliche und nicht wechselbezügliche Verfügungen enthalten kann, muss die Frage, ob eine Verfügung wechselbezüglich ist oder nicht, für jede einzelne Verfügung gesondert untersucht werden. Dies gilt auch für das Berliner Testament. Es kann sogar nötig sein, Teile einer einzelnen Verfügung als wechselbezüglich anzusehen, andere Teile derselben Verfügung jedoch als nicht wechselbezüglich. Wechselbezügliche Verfügungen können auch in zwei getrennten Urkunden niedergelegt sein. Es ist nicht...