Rz. 15
Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, wobei an die Annahme des Näheverhältnisses hohe Anforderungen zu stellen sind, um den Anwendungsbereich des Abs. 2 nicht ausufern und so zur gesetzlichen Regel werden zu lassen. Als nahestehende Personen kommen im Regelfall nur natürliche, nicht aber juristische Personen in Betracht. Nur im Ausnahmefall sollen auch juristische Personen in Betracht kommen können. Positiv gewendet, liegt ein Näheverhältnis bei den Personen vor, zu denen der Ehegatte, der den anderen Ehegatten letztwillig bedacht hat, enge persönliche und innere Bindungen gehabt hat, die zumindest dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entsprechen. Bei verschwägerten Personen kann nicht generell von einem solchen Näheverhältnis ausgegangen werden. Ein Näheverhältnis kann insbesondere bestehen zu engen Freunden, langjährigen (Haus-)Angestellten, Adoptiv- oder Stiefkindern oder bewährten Hausgenossen. Ein konkretes Näheverhältnis muss aber bei all diesen Personengruppen jeweils im einzelnen Fall festgestellt werden. Negativ betrachtet genügen nicht gutes Einvernehmen, gute nachbarschaftliche Beziehungen oder gar das Schreiben von Briefen und Karten. Werden bestimmte Personen nur abstrakt bezeichnet, wie "die Abkömmlinge" von Geschwistern des überlebenden Ehegatten, so soll dies nicht zur Annahme eines Näheverhältnisses ausreichen. Personen, die zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht geboren waren oder dem Erblasser unbekannt waren, können keine nahestehenden Personen sein. Soweit angenommen wird, Abs. 2 sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass er die Personen nicht umfasst, die dem überlebenden Ehegatten noch näher als dem Erstversterbenden stehen, vermag dies nicht zu überzeugen. Abs. 2 kennt eine dahingehende Unterscheidung nicht. Entscheidend ist, dass das Gesetz darauf abstellt, ob zu dem Erstversterbenden im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein konkretes Näheverhältnis in dem oben dargestellten Sinne bestand. Es ist widersprüchlich und nicht den Interessen des Erstversterbenden entsprechend, in dieser Konstellation die Anwendung des Abs. 2 zu verneinen, nur weil der Bedachte auch dem Überlebenden nahe stand. Denn auch wenn Letzteres der Fall gewesen sein sollte (praktisch wird sich dies ohnehin kaum feststellen lassen), so kann es dem Erstversterbenden dennoch darauf angekommen sein, die auch ihm nahestehende Person zu bedenken und diese Verfügung mit dem Schutz der Wechselbezüglichkeit zu versehen. Dies kann nicht zuletzt deswegen sinnvoll sein, weil für den Erstversterbenden zu diesem Zeitpunkt die zukünftigen Entwicklungen, insbesondere die Entwicklung des Näheverhältnisses des Bedachten zum überlebenden Ehegatten, ungewiss sein wird.