Rz. 53
Für neue Verfügungen des Überlebenden fehlt es an einer gesetzlichen Vorschrift, die Umfang und Wirkung der Bindung regelt. Wegen der Ähnlichkeit zu der Sachlage beim Erbvertrag wird hier § 2289 BGB analog angewendet. Damit ergibt sich Folgendes: Neue Verfügungen sind nicht per se nichtig. Die spätere einseitige Verfügung ist nur insoweit unwirksam, als sie in Widerspruch zu einer wechselbezüglichen Verfügung steht. Sie kann also später wirksam werden, etwa wenn die wechselbezügliche Verfügung des überlebenden Ehegatten durch vorzeitigen Tod des von dem überlebenden Ehegatten bedachten Ehegatten gegenstandslos wird. Sie sind wirksam, wenn sie lediglich eine Besserstellung des Bedachten bewirken. Auch können die Ehegatten die Bindungswirkung beschränken oder sogar völlig ausschließen. Eine solche Abänderungsbefugnis wurde von der Rechtsprechung auch im Wege der Auslegung angenommen, etwa wenn als Schlusserbe nur ein Verwandter des Überlebenden eingesetzt war. Wegen der höchstpersönlichen Natur letztwilliger Verfügungen kann der Überlebende jedoch stets nur seine eigenen Verfügungen aufheben oder ändern (vgl. auch § 2065 Abs. 1 und Abs. 2 BGB), selbst wenn ihn der Vorversterbende entsprechend ermächtigt haben sollte.
Rz. 54
Diese Besserstellung kann etwa in einer Einsetzung zum Alleinerben statt in der Zuwendung eines lebenslangen Nießbrauchs liegen. Ebenso zulässig und wirksam ist es, wenn lediglich die Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament wiederholt werden. Ebenso wirksam ist eine neue letztwillige Verfügung, wenn die wechselbezügliche Bestimmung unwirksam ist oder gegenstandslos wird. Eine solche Gegenstandslosigkeit kann sich ergeben durch den ersatzlosen Wegfall eines Bedachten in Folge Vorversterbens (§§ 1923, 2160 BGB) oder durch dessen Erb- oder Zuwendungsverzicht nach § 2346 BGB, durch Ausschlagung (§§ 1953, 2180 Abs. 3 BGB) oder durch Erbunwürdigkeitserklärung nach § 2344 BGB. Eine Gegenstandslosigkeit tritt nicht ein, wenn an die Stelle des Weggefallenen ein Ersatzerbe tritt nach §§ 2069, 2096 BGB oder eine Erbteilsanwachsung eingreift nach § 2094 BGB.
Rz. 55
Insoweit ist es bedeutungslos, ob ein Wegfall des im gemeinschaftlichen Testament Bedachten vor oder nach der Errichtung der neuen Verfügung eintritt, da bei späterem Wegfall eine Heilung der einseitigen Verfügung durch die Erledigung der wechselbezüglichen Verfügung eintritt. Weiter sind oder werden neue Verfügungen des Überlebenden dann wirksam, wenn der im gemeinschaftlichen Testament Bedachte den Verzicht auf erbrechtliche Zuwendungen formgerecht nach §§ 2348, 2352 S. 2 BGB erklärt. Dazu muss der Überlebende mit dem Bedachten einen Erbverzichtsvertrag abschließen. Damit wird die neue Verfügung wirksam, soweit durch die Verzichtserklärung die wechselbezügliche Verfügung gegenstandslos geworden ist. Zu prüfen ist aber stets, ob nicht § 2069 BGB eingreift, wogegen bei vollständiger Abfindung im Erbverzichtsvertrag eine tatsächliche Vermutung sprechen soll.