1. Notarielle Erklärung
Rz. 4
Durch die Verweisung auf die Vorschrift des § 2296 BGB kann der Widerruf nur durch notariell beurkundete Erklärung (§ 2296 Abs. 2 BGB) erklärt werden. Die Erklärung des Widerrufs ist empfangsbedürftig (§ 2296 Abs. 2 S. 1 BGB). Geht sie also dem Widerrufsgegner nicht zu, entfaltet sie keine Wirksamkeit. Nach § 10 Abs. 4 LPartG gilt diese Vorschrift für gemeinschaftliche Testamente bei eingetragenen Lebenspartnerschaften entsprechend. Für den widerrufenden Ehegatten ist Testierfähigkeit zu fordern, da auch der Widerruf eine Verfügung von Todes wegen darstellt. Anzuwenden ist daher § 2229 BGB, insbesondere § 2229 Abs. 4 BGB. Danach können Geisteskranke und Geistesschwache nicht widerrufen. Minderjährige unter 16 Jahren können nicht widerrufen und auch nicht testieren. Minderjährige ab 16 Jahren können wechselbezügliche Verfügungen nach Abs. 1 S. 1, § 2296 BGB widerrufen, da die Form des § 2296 Abs. 2 BGB mit der Form des notariellen Testaments nach § 2232 BGB gleichwertig ist. Der Widerruf kann auch durch einen in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Ehegatten erklärt werden (§ 2296 Abs. 1 S. 2 BGB). Da der Widerruf eine Verfügung von Todes wegen ist, ist auch der Widerruf selbst nach § 2078 BGB anfechtbar.
2. Zugang beim Ehegatten
Rz. 5
Der Widerruf als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung muss durch Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten erfolgen (§ 2226 Abs. 2 S. 1 BGB). Dadurch ist sichergestellt, dass der Ehegatte, dem gegenüber wechselbezügliche Verfügungen widerrufen werden, von diesem Widerruf erfährt und er dann seinerseits darauf reagieren kann. Denn zwar fallen die im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehenden Verfügungen auch diesen Ehegatten automatisch und kraft Gesetzes nach § 2270 Abs. 1 BGB weg, dennoch kann dieser Ehegatte aufgrund der geänderten Umstände aber ein Interesse daran haben, nunmehr die Erbfolge nach ihm grundlegend neu zu gestalten. Dies zu erreichen ist Sinn und Zweck der Gestaltung des Widerrufs als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.
Rz. 6
Praxistipp
Die Erklärung muss sicherheitshalber an den anderen Ehegatten ausdrücklich adressiert werden. Zwar genügt es, wenn es sich aus den Umständen ergibt, dass sie für den anderen Ehegatten bestimmt war, wie z.B., wenn ein Widerruf durch ein einseitiges notariell beurkundetes Testament erfolgt und der widerrufende Ehegatte diese Erklärung dem anderen zukommen lässt. Dies ist jedoch nicht unbestritten, so dass der rechtliche Berater den sichersten Weg zu gehen hat. Es ist daher zu raten, dass sich aus dem Inhalt des notariell beurkundeten Testaments selbst ergibt, dass die darin enthaltene Widerrufserklärung gegenüber dem anderen Ehegatten erfolgen soll.
3. Keine Stellvertretung
Rz. 7
Die Erklärung des Widerrufs kann nicht durch einen Stellvertreter erfolgen und auch nicht durch einen gesetzlichen Vertreter (§ 2226 Abs. 1 S. 1 BGB; § 2064 BGB). Die Übermittlung des einseitigen Widerrufs muss in der Form der Urschrift oder einer Ausfertigung der Erklärung geschehen. Nicht ausreichend ist eine einfache oder beglaubigte Abschrift. Für die Art der Übermittlung und den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs gelten die Bestimmungen der §§ 130–132 BGB.
Rz. 8
Praxistipp
Vorzugsweise sollte die Zustellung des Widerrufs aus Beweiszwecken durch den Gerichtsvollzieher nach § 132 Abs. 1 BGB, §§ 166 ff. ZPO erfolgen, auch wenn ansonsten jede Art des Zugangs ausreichend ist. Möglich ist, bei unbekanntem Aufenthaltsort des Widerrufsgegners, auch die öffentliche Zustellung über § 132 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 203 ff. ZPO.
Rz. 9
Wird die öffentliche Zustellung erschlichen, ist sie dennoch wirksam, der Ausübung der sich daraus ergebenden Rechtsposition kann jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden. Dieser Einwand ist nicht nur gegenüber dem Widerrufenden, sondern gegenüber jedem, der Rechte aus einer neuen nach Widerruf errichteten letztwilligen Verfügung herleiten möchte, gegeben. Beweisbelastet ist derjenige, der den Rechtsmissbrauch geltend macht. Der Widerruf wird wirksam mit Zugang der Erklärung. Wie stets beim Zugang einer Willenserklärung ist es daher ohne Belang, ob und wann der Ehegatte, dem gegenüber der Widerruf erklärt wird, von der ihm zugegangenen Widerrufserklärung Kenntnis erlangt.