Rz. 45

Durch den Eintritt der Bindungswirkung wird nicht die Testierfähigkeit beschränkt, sondern lediglich die Testierfreiheit.[109] Weiterhin wird durch die Bindungswirkung nicht die Befugnis des Überlebenden zu Verfügungen unter Lebenden beschränkt. Dieser kann insoweit frei verfügen, da § 2286 BGB hier entsprechend anwendbar ist.[110] Auch hier wirkt sich also die Ähnlichkeit zum Erbvertrag und dessen Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügungen aus.[111] In einer Formulierung wie "Der Überlebende von uns ist durch dieses Testament nicht beschwert oder beschränkt und kann in jeder Weise frei verfügen" liegt regelmäßig keine über die Befugnis zu Lebzeiten des Überlebenden hinausgehende Abänderungsbefugnis des gemeinschaftlichen Testaments.[112] Damit stehen den Überlebenden insbesondere frei: die Vereinbarung gesellschaftsrechtlicher Nachfolgeklauseln, welche ein Rechtsgeschäft unter Lebenden darstellen,[113] Schenkungen unter Lebenden auf den Todesfall und Verträge zugunsten Dritter nach § 331 BGB.

 

Rz. 46

Im Regelfall liegt in solchen Geschäften keine Umgehung von Abs. 2.[114] Schließlich sind sogar Schenkungen wirksam, die in der Absicht, die Schlusserben zu benachteiligen, vorgenommen werden. Dies ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 2287 BGB. Denn selbst nach § 2287 BGB hat der Schlusserbe dann nur einen Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten.[115] Wirksam sind die lebzeitigen Verfügungen auch, wenn dadurch ein Vermächtnis beeinträchtigt wird. Solange kein Verschaffungsvermächtnis nach § 2169 Abs. 1 BGB vorliegt, stehen dem Vermächtnisnehmer nur die Rechte aus § 2288 Abs. 2 BGB zu.[116]

 

Rz. 47

Festzuhalten bleibt also: Lebzeitige Verfügungen sind selbst dann wirksam, wenn Nachlassgegenstände in Benachteiligungsabsicht übertragen werden. Lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände kann ein Fall des § 138 BGB gegeben sein.[117] Zu prüfen ist dann, ob ein Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten analog §§ 2287, 2288 BGB besteht.[118] Deren Schutz kann nie weiter reichen als die Bindung.[119] Daher kann deren Schutz auch nicht vor Eintreten der Bindungswirkung eingreifen.[120] Neben diesen Vorschriften ist § 826 BGB nur unter ganz besonderen Voraussetzungen gegeben.

[109] Palandt/Weidlich, § 2271 Rn 9.
[110] BGH DNotZ 1951, 344; BGH DB 1966, 411; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 41.
[111] Soergel/Wolf, § 2271 Rn 32.
[112] OLG Düsseldorf v. 20.4.2018 – I-3 Wx 202/17, Rn 19, zit. nach juris = NJW-RR 2018, 1160; OLG Hamburg v. 13.2.2018 – 2 W 22/17, Rn 22, zit. nach juris = ErbR 2019, 48.
[113] BGH WM 1966, 367; BGH WM 1975, 172, 174; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 41.
[114] BGHZ 66, 8 = NJW 1976, 749, 750; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 41.
[115] BGHZ 66, 8; BGH NJW 1982, 43; Soergel/Wolf, § 2271 Rn 41.
[116] BGH NJW 1958, 547.
[117] BGHZ 59, 343; BGH WM 1973, 680.
[118] BGH NJW 1976, 749; BGH NJW 1982, 43.
[120] A.A. wohl v. Dickhuth-Harrach, FamRZ 2005, 322.

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