1. Allgemeines
Rz. 58
Der Überlebende kann sich von der Bindungswirkung jedoch befreien durch Ausschlagung nach Abs. 2 S. 1 Hs. 2. Der Vermögensanfall gilt dann als nicht erfolgt, §§ 1953, 2180 BGB. Die Bindungswirkung gerät mit der Ausschlagung in Fortfall. Hatte der Überlebende die Erbschaft nach dem Erstverstorbenen bereits angenommen oder hatte er die Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB versäumt oder verstarb er selbst vor der Ausschlagung, ist die Ausschlagung auch nach dem Tod des Überlebenden durch dessen Erben nicht mehr möglich.
2. Ausschlagung der Zuwendung
Rz. 59
Der Überlebende muss das ihm Zugewendete ausschlagen. Unter Zuwendung ist jedes Rechtsgeschäft zu verstehen, durch das jemand einem anderen einen Vermögensvorteil verschafft. Dies kann in einem gemeinschaftlichen Testament durch Erbeinsetzung, Vermächtnis oder durch Auflage geschehen. Auch dem durch Auflage Begünstigten muss die Möglichkeit gegeben werden, durch Ausschlagung seine Testierfreiheit wieder zu gewinnen.
3. Wirkung der Ausschlagung
Rz. 60
Die Ausschlagung bewirkt nicht etwa eine automatische Aufhebung der wechselbezüglichen Verfügungen des überlebenden Ehegatten. Dieser gewinnt lediglich seine Testierfreiheit wieder. Will der Überlebende sich von seinen wechselbezüglichen Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament lösen, so muss er ein neues Testament errichten oder einen entsprechenden Erbvertrag schließen. Dabei ist es unerheblich, ob dies bereits vor der Ausschlagung erfolgt ist.
4. Ausschlagung durch Dritte
Rz. 61
Eine Ausschlagung durch einen Dritten, etwa den Bedachten, ist nicht möglich und hat keine Wirkung auf die Testierfreiheit des Überlebenden. Da in den Fällen, in denen dem Überlebenden vom Erstverstorbenen nichts zugewendet wurde, diesem kein Recht zur Ausschlagung zusteht, kann der Überlebende hier seine Testierfreiheit nur durch eine Aufhebung nach Abs. 2 S. 2 u. Abs. 3 sowie durch Anfechtung wiedergewinnen.
Rz. 62
Ist sowohl dem Dritten als auch dem Überlebenden etwas zugewendet, dann genügt es, wenn der Überlebende die Ausschlagung erklärt. Eine – auch hier nicht mögliche – Ausschlagung durch den Dritten ist nicht erforderlich. Durch die Ausschlagung und die nachfolgende Neutestierung wird die Verfügung des Erstverstorbenen zugunsten des Dritten unwirksam nach § 2270 Abs. 1 BGB. Sollte der Überlebende dann wieder neu testieren und zu seiner anfänglichen Testierung zurückkehren, so würde dies nichts an der eingetretenen Unwirksamkeit der wechselbezüglichen Verfügung ändern.
5. Wertlose Zuwendung
Rz. 63
Ist die Zuwendung lediglich wirtschaftlich wertlos, so muss der Überlebende ausschlagen, um seine Testierfreiheit wieder zu gewinnen.
6. Ausschlagung und gesetzlicher Erbteil des Überlebenden
Rz. 64
Problematisch ist die Behandlung folgender Fallkonstellation: Der Überlebende hat durch gemeinschaftliches Testament eine Zuwendung erhalten, wäre aber für den Fall der Ausschlagung auch gesetzlicher Erbe, wie im Regelfall, wenn sich die Ehegatten wechselbezüglich bedenken und wenn der Schlusserbe nicht Ersatzerbe für den Ausschlagenden wird nach § 2096 BGB. Für den Fall, dass der gesetzliche Erbteil wertmäßig an die testamentarische Zuwendung heranreicht, was noch bei ¾ des Wertes der testamentarischen Zuwendung bejaht wird, oder diesen sogar übersteigt, verlangt die h.M., dass der Überlebende auch sein gesetzliches Erbrecht ausschlagen muss, um seine Testierfreiheit wieder zu erlangen. Die Begründung dafür soll darin liegen, dass die Ehegatten im Regelfall dem Überlebenden eine bestimmte Rechtsposition unabhängig vom Berufungsgrund einräumen wollen. Die Stellung des Überlebenden soll dann dem Willen der Erblasser nach davon abhängig sein, dass er nicht ausschlägt. Erforderlich ist lediglich, dass sich die Ehegatten ausdrücklich oder stillschweigend auf den gesetzlichen Erbteil eingesetzt haben. In den sonstigen Fällen kann der beschriebene Erblasserwille zu einer bedingten Enterbung im Fall der Ausschlagung führen.
Rz. 65
Die Praxis wird diese Ansicht in Rechnung stellen müssen. Insbesondere wird der ausschlagungswillige Mandant auf das Risiko des Verlustes des gesetzlichen Erbteils hinzuweisen sein und das Erfordernis, auch diesen ausschlagen zu müssen, um die Testierfreiheit wieder zu erlangen. Die vorgenannte Ansicht ist jedoch abzulehnen. Sie vermischt unzulässig die Wirkung der Ausschlagung (nämlich eine durchaus mögliche dadurch bedingte Enterbung) mit der Frage der Wiedererlangung der Testierfreiheit, sowie die verschiedenen Berufungsgründe. Sie findet im Gesetzeswortlaut auch keine Stütze. Die Berufung zum gesetzlichen Erben besteht kraft Geset...