Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
I. Vertragsschließende
Rz. 2
Der Erbvertrag ist anders als das gemeinschaftliche Testament nicht nur Ehegatten (§ 2265 BGB) und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern (§ 10 Abs. 4 LPartG) vorbehalten; er kann die vertragsmäßigen Verfügungen nur einer Person, aber auch mehrerer Personen enthalten.
II. Vertragsmäßige Verfügungen
Rz. 3
Als vertragsmäßige Verfügungen kommen nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen sowie die Rechtswahl in Betracht (Abs. 2). Der Erblasser kann den Vertragspartner oder einen Dritten als Erben einsetzen (§ 1941 Abs. 2 BGB) bzw. mit einem Vermächtnis bedenken. Mit einem Vermächtnis beschwert werden kann entweder ein Erbe oder ein Vermächtnisnehmer, nicht dagegen deren Erben. Darüber hinaus kann auch eine Stiftung durch vertragsmäßige Verfügung errichtet werden, § 83 BGB. Andere letztwillige Verfügungen, wie z.B. Teilungsanordnung, Erbausschließung (§ 1938 BGB) oder Ernennung eines Testamentsvollsteckers, können nur als einseitige Verfügungen getroffen werden und sind ausschließlich nach Testamentsrecht zu beurteilen (§ 2299 BGB). Der Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthalten, anderenfalls liegt kein Erbvertrag, sondern nur ein Testament vor; eine Umdeutung ist nicht erforderlich. Betrifft die letztwillige Verfügung die Erbeinsetzung, ein Vermächtnis oder eine Auflage, liegt nicht zwingend eine vertragsmäßige Verfügung vor. Wird sie nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, ist die Vertragsmäßigkeit einer solchen Verfügung nach §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln.
III. Auslegung
Rz. 4
Ist zweifelhaft, ob eine vertragsmäßige Verfügung vorliegt, ist zu prüfen, inwieweit eine vertragliche Bindung gewollt war. § 2270 BGB kann ergänzend herangezogen werden. Das Interesse des Vertragspartners an der Vertragsmäßigkeit und damit an der Bindungswirkung einer Verfügung ist ausschlaggebend. Eine solche vertragliche Bindung ist daher anzunehmen, wenn der Vertragspartner selbst oder eine ihm nahestehende dritte Person bedacht wird, ferner, wenn ein Vertragspartner ein Interesse an der Bindungswirkung hatte. Setzen die Ehegatten für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten ihre Kinder ein, wird eine vertragsmäßige Verfügung ebenfalls anzunehmen sein, ebenso, wenn die ein Kind begünstigende Verfügung dem Ausgleich einer lebzeitigen Zuwendung an ein anderes Kind dienen soll. Anders dagegen, wenn Verwandte bedacht werden. Eine Bindung an die Verfügung zugunsten der eigenen Verwandten ist i.d.R. abzulehnen.
IV. Bindung
Rz. 5
Nur hinsichtlich der vertragsmäßigen Verfügungen entsteht aufgrund der Einigung der Vertragsschließenden eine vertragliche Bindung. Die Bindung wirkt nur erbrechtlich und macht alle früheren und späteren letztwilligen Verfügungen, soweit sie den vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen (§ 2289 BGB), unwirksam. Dagegen bestehen keine schuldrechtlichen Verpflichtungen; der Erblasser kann über sein Vermögen unter Lebenden nach §§ 2286 ff. BGB verfügen. Während das Testament und damit die einseitigen Verfügungen, die nach Testamentsrecht zu beurteilen sind (§ 2299 BGB), frei widerruflich sind (§§ 2253 ff. BGB), ist die freie Widerruflichkeit bei den vertragsmäßig getroffenen Verfügungen ausgeschlossen.
V. Vorbehalt
Rz. 6
Ein Änderungsvorbehalt ist zulässig; er kann ausdrücklich in der Form des § 2276 BGB vereinbart oder durch Auslegung ermittelt werden. Der BGH verlangt aber, dass der Vorbehalt mindestens eine den Erblasser bindende Verfügung bestehen lässt; wenn der Erblasser nämlich eine Verfügung von Todes wegen vertragsmäßig errichtet, dann kann er sie nicht zugleich einseitig gestalten wollen. Ein sog. Totalvorbehalt ist also unzulässig. Erhält der Erbvertrag nur eine einzige vertragsmäßige Verfügung (oder stehen alle Verfügungen unter Vorbehalt), dann muss gewährleistet sein, dass die Ausübung des Vorbehalts nur unter bestimmten, genau festgelegten Voraussetzungen möglich ist (Lehre vom spezifischen Änderungsvorbehalt). Beurteilungsmaßstab ist stets die Frage, ob die Testierfreiheit des Erblassers durch die Voraussetzungen des Änderungsvorbehalts eingeschränkt wird. Nicht zu beanstanden ist, wenn sich der Erblasser eine Quote vorbehält, zu di...