Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Gesetzestext
Haben Ehegatten oder Lebenspartner in einem Erbvertrag, durch den sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, oder ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode des Überlebenden zu erfüllen ist, so findet die Vorschrift des § 2269 entsprechende Anwendung.
A. Allgemeines
Rz. 1
§ 2280 BGB verweist auf die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB. Danach gilt auch beim Erbvertrag im Zweifel die Einheitslösung, d.h. der Dritte wird Schlusserbe. Nach § 2269 Abs. 2 BGB gilt Entsprechendes für Vermächtnisse; im Zweifel soll das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tod des Überlebenden anfallen. Da sich die gegenseitige Bindung beim Erbvertrag aus der Einigung der Vertragsschließenden ergibt, war eine Verweisung auf §§ 2270, 2271 BGB nicht erforderlich.
B. Tatbestand
I. Ehegatten, Lebenspartner
Rz. 2
§ 2280 BGB spricht ausdrücklich nur vom Erbvertrag der Ehegatten oder Lebenspartner. Allerdings ist die Vorschrift vor dem Hintergrund, dass den Erbvertrag auch andere Personen in dieser Weise schließen können, auch auf solche Verträge anwendbar. Dass zwischen den Vertragsschließenden ein ähnlich starkes Vertrauensverhältnis besteht wie zwischen den Ehegatten oder Lebenspartnern ist daher nicht erforderlich; außerdem wird in der Praxis die Feststellung eines derartigen Vertrauensverhältnisses oftmals unverhältnismäßig schwierig sein.
II. Dritter
Rz. 3
Dritter ist derjenige, den die Vertragsschließenden zum Erben eingesetzt haben. Er kann auch am Vertragsschluss beteiligt gewesen sein, z.B. wenn die Kinder als Dritte gegenüber dem Erstversterbenden auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichten. Wird der Dritte nicht ausdrücklich als Erbe bezeichnet, kann sich seine Erbenstellung auch durch Auslegung ergeben. Eine Erbeinsetzung der Kinder ist grundsätzlich abzulehnen, wenn der Erbvertrag die Kinder bei Anfechtung des Erbvertrages lediglich auf ihren Pflichtteil verweist, anders, wenn die Kinder auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten sollen, falls sie diesen nach dem ersten Erbfall gefordert haben, oder wenn der Erbvertrag eine Pflichtteilsverwirkungsklausel und Wiederverheiratungsklausel enthält.
III. Wiederverheiratungsklausel
Rz. 4
Fehlt eine Wiederverheiratungsklausel, kann der Erbvertrag von dem Überlebenden (§§ 2079, 2281 BGB) oder von dem neuen Ehegatten nach dem Tod des Überlebenden (§§ 2079, 2281, 2285 BGB) angefochten werden; wird die Anfechtung nicht erklärt, dann hat der neue Ehegatte einen Pflichtteilsanspruch, der sich nach dem gesamten Vermögen berechnet. Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand, kommt zudem ein Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB in Betracht.
C. Verfahrensfragen
Rz. 5
Der als Schlusserbe eingesetzte Dritte kann gegen den überlebenden Ehegatten auf Feststellung seiner Erbeinsetzung klagen, wenn er ein schutzwürdiges Interesse hat, z.B. wenn der überlebende Ehegatte entgegen der eingetretenen Bindung abweichend letztwillig verfügt oder von der Unwirksamkeit infolge der Anfechtung ausgeht; auch eine Feststellungsklage zwischen zwei Schlusserben ist zulässig. Ansprüche wegen böswilliger Schenkungen des Überlebenden kann der Schlusserbe dagegen erst nach dessen Tod geltend machen; eine Feststellungsklage ist insoweit unzulässig.