Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
I. Verfügungsfreiheit
Rz. 2
Der Erblasser ist zwar erbrechtlich, nicht aber schuldrechtlich gebunden; er kann weiterhin über sein Vermögen unter Lebenden verfügen (§ 2286 BGB), sich insbesondere auch auf den Todesfall verpflichten, z.B. durch Nachfolgeklauseln im Gesellschaftsvertrag oder Zuwendungen an Dritte nach § 331 BGB.
II. Mittelbare Beeinträchtigungen
Rz. 3
Mittelbare Beeinträchtigungen des Bedachten, die sich aus der Änderung der persönlichen Verhältnisse des Erblassers ergeben, z.B. aufgrund einer Eheschließung oder Adoption, sind grundsätzlich nicht als vertragswidrig aufzufassen. Durch den Abschluss eines Erbvertrages können beispielsweise Pflichtteilsrechte, die aus einer erneuten Eheschließung resultieren, nicht umgangen werden. Als nicht vertragswidrig gelten grundsätzlich auch tatsächliche Handlungen, wie die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft oder die Aufhebung eines Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts nach § 2351 BGB, es sei denn, diese Institute werden zweckentfremdet eingesetzt. Dagegen können die ehebedingten bzw. unbenannten Zuwendungen zwischen Ehegatten unter die §§ 2286 ff. BGB (vgl. auch die Erläuterungen bei § 2287 BGB) fallen.
III. Rechtsstellung des Bedachten
Rz. 4
Durch den Erbvertrag werden keine schuldrechtlichen Verpflichtungen begründet, es entstehen keine Ansprüche gegen den Erblasser. Rechte und Pflichten des Bedachten entstehen erst mit dem Erbfall (§§ 1922, 2032, 2176 BGB); es besteht auch keine rechtlich gesicherte Anwartschaft, denn der Bedachte erhält keine Rechtsposition, die vererbt oder übertragen werden könnte. Demzufolge sind erbrechtliche Ansprüche zu Lebzeiten des Erblassers nicht vormerkbar, selbst wenn der Erblasser die Eintragung bewilligt, und auch nicht pfändbar.
IV. Missbrauch und Ansprüche des Bedachten
Rz. 5
Missbraucht der Erblasser seine Verfügungsfreiheit, werden die vertragsmäßig Bedachten durch die §§ 2287, 2288 BGB geschützt. Allg. Vorschriften sind nur unter Berücksichtigung der Wertung der §§ 2287, 2288 BGB anwendbar; so impliziert die Existenz dieser Regelungen, dass das erbvertragswidrige Verhalten allein noch nicht zur Nichtigkeit der entsprechenden Verträge gem. § 138 BGB führen kann. § 826 BGB ist dagegen grundsätzlich nicht anwendbar. Anders nur, wenn der Anspruch bereits beim Erblasser entstanden und im Wege der Erbfolge auf den Vertragserben übergegangen ist, denn der Vertragserbe rückt in die Stellung des Erblassers ein. Folglich kann der Vertragserbe auch Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus §§ 812 ff. BGB gegen den Dritten geltend machen, wenn der Erwerb schuldrechtlich unwirksam war, §§ 138, 2113, 2329 Abs. 1 S. 1 BGB. Deliktische Ansprüche wegen Beeinträchtigung bestehen dagegen nicht, da die Rechtsstellung weder ein "sonstiges" Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist, noch die §§ 2287, 2288 BGB Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellen.
V. Verfügungsunterlassungsvertrag
Rz. 6
Nach § 2286 BGB kann der Erblasser über sein Vermögen unter Lebenden verfügen. Um das zu vermeiden, kann ein schuldrechtlicher Vertrag geschlossen werden (§ 137 S. 2 BGB), in dem sich der Erblasser verpflichtet, nicht über den Gegenstand der erbrechtlichen Anordnung zu verfügen (Verfügungsunterlassungsvertrag). Ein solcher Vertrag ist grundsätzlich auch formlos gültig, jedoch werden an seinen Nachweis hohe Anforderungen gestellt. Der Vertrag hat nur schuldrechtliche Wirkung, das bedeutet, dass die Verfügungen, auch wenn sie gegen den Vertrag verstoßen, wirksam sind; der Erblasser macht sich dann aber schadensersatzpflichtig; der Schadensersatzanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit, §§ 1937, 2058 BGB. Möglich ist auch ein sog. Sicherungsschenkungsvertrag, aus dem sich ein aufschiebend bedingter Übereignungsanspruch ergibt, sobald der Erblasser vertragswidrig über den Gegenstand verfügt. So kann der überlebende Ehegatte bei Wiederheirat verpflichtet sein, das Haus auf die Kinder zu übertragen. Der Vorteil ist, dass – anders als beim Verfügungsunterlassungsvertrag – ein bedingter Übereignungsanspruch entsteht, der durch Vormerkung gesichert werden kann; die Übertragungsverpflichtung kann daher gem. § 311b BGB formbedürftig sein. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen können vorsehen, dass der Erblasser in bestimmten Situationen – beispielsweise einer Notlage – über den zuzuwendenden Gegenstand verfügen kann. Ansprüche gegen den Dritten können dadurch begründet werden, dass dieser sich verpflichtet, keine Zuwendungen vom Erblasser anzunehmen.