Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
I. Rechtsstellung des Vertragserben
Rz. 2
Durch den Erbvertrag wird der Erblasser zwar erbrechtlich, nicht aber schuldrechtlich gebunden; er kann weiterhin über sein Vermögen unter Lebenden verfügen (§ 2286 BGB). Durch die Erbeinsetzung erhält der Vertragserbe keine rechtlich gesicherte Anwartschaft, so dass ihm zu Lebzeiten grundsätzlich keine Ansprüche gegen den Erblasser zustehen. Auch die Ansprüche aus §§ 2287, 2288 BGB, die die vertragsmäßig Bedachten schützen, wenn der Erblasser seine Verfügungsfreiheit missbraucht, entstehen erst nach seinem Tod, §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB; zur Anwendbarkeit allg. Vorschriften vgl. die Erläuterungen zu § 2286 BGB. Der Anspruch aus Abs. 1 entsteht originär bei dem einzelnen Vertragserben und fällt daher nicht in den Nachlass. Das hat zur Folge, dass er nicht von einem Testamentsvollstrecker erhoben werden kann; auch § 2039 BGB greift nicht, so dass jeder Vertragserbe den Anspruch in Höhe seiner Erbquote geltend machen muss, §§ 420, 741 ff. BGB. Wenn die Leistung unteilbar ist, sind die Vertragserben Gesamthandgläubiger nach § 432 BGB.
II. Schenkung
Rz. 3
In Betracht kommen nur Schenkungen, die nach dem Abschluss des Erbvertrages gemacht werden, denn nur solche können den Vertragserben beeinträchtigen. Der Begriff der Schenkung richtet sich nach den §§ 516 ff. BGB. Er umfasst daher die gesetzlich normierte Pflicht- und Anstandsschenkung (§ 534 BGB), aber auch die gemischten und verschleierten Schenkungen sowie die Ausstattungsschenkungen (§ 1624 Abs. 1 BGB). Auch Schenkungsversprechen fallen unter den Begriff der Schenkung. Allerdings können bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2287 BGB im Ergebnis keine Ansprüche gegen den Vertragserben geltend gemacht werden. Auf Schenkungsversprechen, die unter der Bedingung erteilt werden, dass der Beschenkte den Erblasser überlebt, sind nach § 2301 Abs. 1 BGB die Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen anzuwenden. Sie sind daher, wenn sie dem Erbvertrag widersprechen, schon nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam; ein Vorgehen nach § 2287 BGB kommt dann nicht in Frage. Ist die Schenkung dagegen bereits vollzogen, greifen nach § 2301 Abs. 2 BGB die Vorschriften über die Schenkung unter Lebenden ein. Als Schenkung i.S.v. § 2287 BGB kann auch die unentgeltliche Einräumung des Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung anzusehen sein, wenn diese erst nach Abschluss des Erbvertrages erfolgt. Die ehebedingten bzw. unbenannten Zuwendungen zwischen Ehegatten können ebenfalls unter § 2287 BGB fallen, wenn sie unentgeltlich erfolgt sind, nicht dagegen, wenn sie unterhaltsrechtlich geschuldet waren oder ihnen eine konkrete Gegenleistung gegenüberstand. Die bloße Haushaltsführung reicht hierfür aber nicht aus, da sie als Beitrag zum Familienunterhalt gesetzlich vorgesehen ist (§ 1360 BGB). Etwas anderes gilt aber, wenn vertraglich eine Pflegeverpflichtung begründet wurde. Diese ist – jedenfalls dann, wenn die Pflege tatsächlich geleistet wird – als Gegenleistung anzuerkennen. Soweit sich aus dem Vertrag kein anderer Anhaltspunkt ergibt, kann auf die Werte nach dem Pflegeversicherungsgesetz abgestellt werden. Eine Schenkung kann aufgrund der weitreichenden vermögensrechtlichen Folgen auch in der Begründung einer Gütergemeinschaft gesehen werden. Vor dem Hintergrund aber, dass die Ehegatten den Güterstand selbst wählen und jederzeit auch ändern können, ist für die Annahme einer Schenkung erforderlich, dass durch die Begründung der Gütergemeinschaft ehefremde Zwecke verfolgt werden sollten. Auch bei Übertragung eines Gegenstandes unter Nießbrauchsvorbehalt muss unter Einbeziehung des Wertes des Nießbrauchs im Einzelfall festgestellt werden, ob es sich um eine Schenkung handelt. Der Vorbehalt eines Nießbrauchs mindert den Wert der Zuwendung; eine Gegenleistung des Beschenkten stellt der Nießbrauchsvorbehalt dagegen nicht dar. Auf entgeltliche Rechtsgeschäfte des Erblassers ist § 2287 BGB nicht anwendbar, so dass der Vertragserbe, der bereits Aufwendungen erbrachte, im Falle der Veräußerung des Grundstücks durch den Erblasser nur Ansprüche aus §§ 812 Abs. 1 S. 2, 818, 819 BGB geltend machen kann.
III. Beeinträchtigung des Vertragserben
Rz. 4
Eine Beeinträchtigung des Vertragserben kommt nur dann in Betracht, wenn der Erblasser durch die Zuwendung gegen die erbvertragliche Bindungswirkung verstößt. Ist der Erbvertrag also unwirksam – z.B. infolge einer Anfechtung –, dann ist eine Beeinträchtigung ausgeschlossen. Verschenkt der Erblasser Gegenstände, die nicht Gegenstand des Erbvert...