Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
1. Frühere Verfügungen
Rz. 2
Durch den Erbvertrag wird eine frühere letztwillige Verfügung aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde, Abs. 1 S. 1. Anders als bei § 2258 BGB muss die letztwillige Verfügung also nicht dem Erbvertrag widersprechen, sie kann sogar mit dem Erbvertrag vereinbar sein. Enthält die frühere Verfügung von Todes wegen eine Vermächtnisanordnung und wird ein Dritter alleiniger Vertragserbe, dann ist die Vermächtnisanordnung unwirksam, da sie den Dritten als Alleinerben beeinträchtigt. Würde der Dritte nicht durch Erbvertrag, sondern durch ein späteres Testament zum Alleinerben berufen, so wäre die Vermächtnisanordnung weiterhin wirksam, da sie nicht in Widerspruch zur Erbeinsetzung steht, §§ 2258, 2161 BGB. Die Beeinträchtigung muss nicht die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten betreffen, eine bloß wirtschaftliche Beeinträchtigung reicht aus.
2. Spätere Verfügungen
Rz. 3
Auch spätere Verfügungen von Todes wegen sind – anders als i.R.d. § 2258 BGB – unwirksam, wenn sie den vertragsmäßig Bedachten (in seiner Rechtsstellung) beeinträchtigen; sie sind auch dann unwirksam, wenn sie wirtschaftlich gesehen für ihn günstiger sind. Unwirksam ist daher eine spätere letztwillige Verfügung, durch die der vertragliche Vollerbe nunmehr zum Vorerben eingesetzt werden soll, weil er hierdurch in seiner Verfügungsfreiheit beeinträchtigt wird; dasselbe gilt im Falle der nachträglichen Anordnung der Testamentsvollstreckung. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung beeinträchtigt die Rechtsstellung des Vertragserben, weil sie zu Verfügungsbeschränkungen führt; dasselbe gilt, wenn die Befugnisse des Testamentsvollstreckers erweitert werden, dagegen nicht zwingend, wenn lediglich die Person des Testamentsvollstreckers ausgewechselt wird. Eine Beeinträchtigung kann aber im Einzelfall sehr wohl anzunehmen sein. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nach dem Erbvertrag der vertragsmäßig Bedachte selbst Testamentsvollstrecker sein sollte. Der im Erbvertrag bedachte Vermächtnisnehmer wird durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung nur dann beeinträchtigt, wenn es sich um eine Vermächtnisvollstreckung nach § 2223 BGB handelt. Dagegen fehlt es an einer Beeinträchtigung, wenn die Ehegatten sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, dann aber jeder Ehegatte noch zu Lebzeiten des anderen eine weitere Verfügung von Todes wegen getroffen hat, für den Fall, dass der andere zuerst verstirbt. Gleiches gilt, wenn der Erbvertrag den Erbfall nur nach dem zuerst verstorbenen, das spätere Testament den Erbfall nur nach dem überlebenden Ehegatten regelt. Auch eine Teilungsanordnung, die zugleich eine Ausgleichungsanordnung zugunsten der anderen Vertragserben enthält, stellt keine Beeinträchtigung dar; ebenso, wenn die spätere Verfügung von Todes wegen die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten verbessert, eine wirtschaftliche Besserstellung reicht hierfür aber nicht aus.
Die Unwirksamkeitsfolge tritt allerdings nur insoweit ein, als nicht die spätere Änderung bzw. Benachteiligung des Vertragserben durch einen entsprechenden Vorbehalt im ursprünglichen Erbvertrag gerechtfertigt ist. Dies ist grundsätzlich zulässig, soweit nicht durch den Vorbehalt der Erbvertrag seines eigentlichen Wesens entkleidet wird. Der erbvertragliche Vorbehalt einer Abänderung der Schlusserbeinsetzung durch den überlebenden Ehegatten ist beispielsweise wirksam, wenn der Vorbehalt nicht nur an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird, sondern die Verfügungsmöglichkeit des Überlebenden auch insoweit beschränkt ist, als er nur zugunsten der gemeinschaftlichen Abkömmlinge, nicht aber zugunsten Dritter oder eines etwaigen zweiten Ehegatten verfügen darf, und der Erbvertrag darüber hinaus mit der gegenseitigen Alleinerbeinsetzung der Ehegatten eine weitere, keinem Vorbehalt unterliegende vertragsmäßige Verfügung enthält.