Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Rz. 4
Abs. 1 S. 1 gilt nicht für familienrechtliche Geschäfte (vgl. auch die Ausführungen zu § 2286 BGB – mittelbare Beeinträchtigungen). Ist der Erblasser durch ein gemeinschaftliches Testament (§ 2271 BGB) oder einen früheren Erbvertrag mit einer anderen Person gebunden, dann kann er aufgrund dieser Bindungswirkung keine neuen vertragsmäßigen Verfügungen treffen, also auch keinen Erbvertrag, der Aufhebungswirkung hätte. Nur wenn der spätere Erbvertrag mit derselben Person wie der frühere geschlossen wird, ist der spätere Erbvertrag wirksam, weil darin die Aufhebung des früheren Erbvertrages gesehen werden kann (§ 2290 BGB). § 2289 BGB regelt nur den Verstoß einer Verfügung von Todes wegen gegen die Bindungswirkung einer vertragsmäßigen – nicht zwingend auch wechselbezüglichen – Verfügung.
Die Aufhebungswirkung ist auf die Beeinträchtigung beschränkt. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist danach abzugrenzen, ob dem nach dem Erbvertrag Bedachten im Falle der Fortgeltung der in Rede stehenden Anordnung weniger Rechte zustünden als nach der erbvertraglichen Anordnung. Eine Beeinträchtigung kann daher auch in der Anordnung einer Testamentsvollstreckung bestehen. Ob die Verfügungen im Übrigen wirksam sind, richtet sich nach § 2085 BGB. Einseitigen Verfügungen kommt die Aufhebungswirkung dagegen nicht zu; sie entfalten keine Bindungswirkung und können nach § 2299 BGB jederzeit frei widerrufen werden. Stimmt der Vertragspartner der Beeinträchtigung des vertragsmäßig Bedachten zu, dann wirkt dieses Einvernehmen wie ein Aufhebungsvertrag, so dass die Zustimmung entsprechend § 2290 Abs. 4 BGB einer notariellen Beurkundung bedarf. Für Ehegatten reicht die Form des gemeinschaftlichen Testaments, vgl. § 2292 BGB. Die Zustimmung des Bedachten ist grundsätzlich unbeachtlich, da die Aufhebung des Erbvertrages ausschließlich den Vertragsschließenden vorbehalten ist, es sei denn, es liegt ein formwirksamer Erbverzicht vor, §§ 2348, 2352 BGB. Nach dem Erbfall ist eine Zustimmung, die den §§ 1944, 1945 BGB entspricht, (frist- u. formgerechte Ausschlagung) möglich, weil der vertragsmäßig Bedachte auch die ganze Zuwendung hätte ausschlagen können. Eine formlose Zustimmung ist grundsätzlich unwirksam; wird sie aber dennoch von dem Vertragspartner oder dem Bedachten erklärt, dann kann sie eine Arglisteinrede begründen; der Zustimmende kann sich dann nicht mehr auf die Unwirksamkeit einer beeinträchtigenden Verfügung berufen. Die Aufhebungswirkung ist ausgeschlossen, wenn der Erbvertrag nichtig ist, wirksam angefochten wird oder – z.B. durch Vorableben des Bedachten – gegenstandlos geworden ist, ferner, wenn die frühere oder spätere Verfügung einen anderen als den Gegenstand des Erbvertrages betrifft. Des Weiteren tritt die Aufhebungswirkung nicht ein, wenn sich der Erblasser die spätere Verfügung vorbehalten hat, denn in diesem Falle war das Recht des vertragsmäßig Bedachten von vornherein durch den Vorbehalt eingeschränkt (zum Vorbehalt vgl. die Ausführungen zu § 2278 BGB).