Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Gesetzestext
(1)1Durch den Erbvertrag wird eine frühere letztwillige Verfügung des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. 2In dem gleichen Umfang ist eine spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam, unbeschadet der Vorschrift des § 2297.
(2)Ist der Bedachte ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Erblassers, so kann der Erblasser durch eine spätere letztwillige Verfügung die nach § 2338 zulässigen Anordnungen treffen.
A. Allgemeines
Rz. 1
Der Erbvertrag entfaltet nur eine (erbrechtliche) Bindungswirkung, so dass der Erblasser weiterhin über sein Vermögen unter Lebenden verfügen kann (§ 2286 BGB), nicht dagegen durch Verfügungen von Todes wegen; § 2289 BGB regelt dabei die Rechtsfolgen einer Verfügung von Todes wegen, die gegen die Bindungswirkung einer vertragsmäßigen – nicht zwingend auch wechselbezüglichen – Verfügung verstößt. Soweit teilweise versucht wird, zum Schutz der vertragsmäßig Bedachten § 2289 BGB auch auf lebzeitige Schenkungen entsprechend anzuwenden, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Hiergegen spricht neben den Abgrenzungsschwierigkeiten vor allem die Rechtssicherheit, weil sich die Rechtspraxis auf eine solche Auslegung nicht eingestellt hat und viele Rechtsgeschäfte sich im Nachhinein als unwirksam herausstellen würden.
B. Tatbestand
I. Aufhebungswirkung
1. Frühere Verfügungen
Rz. 2
Durch den Erbvertrag wird eine frühere letztwillige Verfügung aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde, Abs. 1 S. 1. Anders als bei § 2258 BGB muss die letztwillige Verfügung also nicht dem Erbvertrag widersprechen, sie kann sogar mit dem Erbvertrag vereinbar sein. Enthält die frühere Verfügung von Todes wegen eine Vermächtnisanordnung und wird ein Dritter alleiniger Vertragserbe, dann ist die Vermächtnisanordnung unwirksam, da sie den Dritten als Alleinerben beeinträchtigt. Würde der Dritte nicht durch Erbvertrag, sondern durch ein späteres Testament zum Alleinerben berufen, so wäre die Vermächtnisanordnung weiterhin wirksam, da sie nicht in Widerspruch zur Erbeinsetzung steht, §§ 2258, 2161 BGB. Die Beeinträchtigung muss nicht die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten betreffen, eine bloß wirtschaftliche Beeinträchtigung reicht aus.
2. Spätere Verfügungen
Rz. 3
Auch spätere Verfügungen von Todes wegen sind – anders als i.R.d. § 2258 BGB – unwirksam, wenn sie den vertragsmäßig Bedachten (in seiner Rechtsstellung) beeinträchtigen; sie sind auch dann unwirksam, wenn sie wirtschaftlich gesehen für ihn günstiger sind. Unwirksam ist daher eine spätere letztwillige Verfügung, durch die der vertragliche Vollerbe nunmehr zum Vorerben eingesetzt werden soll, weil er hierdurch in seiner Verfügungsfreiheit beeinträchtigt wird; dasselbe gilt im Falle der nachträglichen Anordnung der Testamentsvollstreckung. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung beeinträchtigt die Rechtsstellung des Vertragserben, weil sie zu Verfügungsbeschränkungen führt; dasselbe gilt, wenn die Befugnisse des Testamentsvollstreckers erweitert werden, dagegen nicht zwingend, wenn lediglich die Person des Testamentsvollstreckers ausgewechselt wird. Eine Beeinträchtigung kann aber im Einzelfall sehr wohl anzunehmen sein. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nach dem Erbvertrag der vertragsmäßig Bedachte selbst Testamentsvollstrecker sein sollte. Der im Erbvertrag bedachte Vermächtnisnehmer wird durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung nur dann beeinträchtigt, wenn es sich um eine Vermächtnisvollstreckung nach § 2223 BGB handelt. Dagegen fehlt es an einer Beeinträchtigung, wenn die Ehegatten sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, dann aber jeder Ehegatte noch zu Lebzeiten des anderen eine weitere Verfügung von Todes wegen getroffen hat, für den Fall, dass der andere zuerst verstirbt. Gleiches gilt, wenn der Erbvertrag den Erbfall nur nach dem zuerst verstorbenen, das spätere Testament den Erbfall nur nach dem überlebenden Ehegatten regelt. Auch eine Teilungsanordnung, die zugleich eine Ausgleichungsanordnung zugunsten der anderen Vertragserben enthält, stellt keine Beeinträchtigung dar; ebenso, wenn die spätere Verfügung von Todes wegen die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten verbessert, eine wirtschaftliche Besserstellung reicht hierfür aber nicht aus.
Die Unwirksamkeitsfolge tritt allerdings nur insoweit ein, als nicht die spätere Änderung bzw. Benachteiligung des Vertragserben durch einen entsprechenden Vorbehalt im ursprünglichen Erbvertrag gerechtfertigt ist. Dies ist grundsätzlich zulässig, soweit nicht durch den Vorbehalt der Erbvertrag seines eigen...