Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
I. Höchstpersönlichkeit
Rz. 2
Der Erblasser kann den Rücktritt nur höchstpersönlich erklären, ebenso wie er den Erbvertrag nur höchstpersönlich errichten (§ 2274 BGB), anfechten (§ 2282 Abs. 1 S. 1 BGB), bestätigen (§ 2284 S. 1 BGB) oder aufheben kann (§ 2290 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Vertretung – auch die gesetzliche Vertretung – ist ausgeschlossen; daher kann der geschäftsunfähige Erblasser vom Erbvertrag nicht zurücktreten. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen ist Abs. 1 S. 2 mit Wirkung zum 22.7.2017 weggefallen. Vor der Änderung war der beschränkt Geschäftsfähige zum selbstständigen Rücktritt vom Erbvertrag berechtigt und benötigte hierzu nicht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, weil die Beschränkung der Testierfähigkeit beseitigt wurde. Dies galt daher auch für die Anfechtung (§ 2282 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) und Aufhebung (§ 2290 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.), nicht dagegen für die Errichtung (§ 2275 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.) oder Bestätigung (§ 2284 S. 2 BGB a.F.) des Erbvertrages, weil der Erblasser sich in diesen Fällen endgültig gebunden hat.
II. Rücktritt
Rz. 3
Die Rücktrittserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die der notariellen Beurkundung bedarf. Den Grund des Rücktritts muss die Rücktrittserklärung nicht enthalten, weil § 2296 BGB anders als § 2297 BGB (Rücktritt nach dem Tod des Vertragspartners) nicht auf § 2336 Abs. 2 BGB verweist, wonach der Grund der Entziehung in der Verfügung angegeben werden muss. Der Rücktritt muss auch nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch durch Auslegung einer notariellen Urkunde ergeben. Der Erblasser kann den Rücktritt z.B. auch dadurch erklären, dass er mit einem Dritten beurkundete, dem Erbvertrag widersprechende vertragsmäßige Verfügungen trifft; entscheidend ist in allen diesen Fällen aber, dass der "Rücktritt" z.B. in der Form der widersprechenden vertragsmäßigen Verfügungen dem Vertragspartner entsprechend zugeht.
III. Zugang
Rz. 4
Die notariell beurkundete Rücktrittserklärung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung allen Vertragspartnern zugehen. Es gelten die Grundsätze der Rechtsprechung über die Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung ohne Einschränkung. Sie muss in Urschrift oder Ausfertigung übermittelt werden, eine beglaubigte Abschrift genügt nicht (vgl. hierzu auch die Ausführungen bei § 2282 BGB). Der Zugang ist auch dann wirksam, wenn die Rücktrittserklärung des Erblassers dem Vertragspartner erst nach dem Tod des Erblassers zugeht (§ 130 Abs. 2 BGB). Allerdings muss die Erklärung beim Tod des Erblassers bereits auf den Weg gebracht worden sein; es genügt daher nicht, dass der Erblasser den Notar anweist, die Rücktrittserklärung erst nach dem Tod an den Vertragspartner zu übermitteln, ebenso kann ein Zustellungsmangel – Zustellung einer beglaubigten Abschrift – nach dem Tod des Erblassers – durch Zustellung einer Ausfertigung – nicht mehr geheilt werden. Hat der Erblasser alles Erforderliche für einen rechtzeitigen Zugang getan, dann ist weitere Voraussetzung, dass der Zugang in einer angemessenen Zeit nach dem Tod des Erblassers erfolgt; musste der Vertragspartner nicht mehr mit dem Zugang einer Rücktrittserklärung rechnen – z.B. nach sieben Monaten –, dann ist die Zustellung unwirksam. Verstirbt der Vertragspartner, dann sind der Zugang der Rücktrittserklärung und damit auch der Rücktritt nicht mehr möglich; eine Zustellung an die Erben ist unwirksam. Der Erblasser kann jedoch ein Aufhebungstestament nach § 2297 BGB errichten. Es empfiehlt sich, die Rücktrittserklärung zu Beweiszwecken durch einen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen, § 132 BGB. Ist der Aufenthaltsort des Vertragspartners nicht bekannt, dann kommt eine öffentliche Zustellung nach § 132 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. ZPO in Betracht. Wird öffentlich zugestellt, obwohl der Erblasser den Aufenthaltsort des Vertragspartners kennt, dann kann das den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen, den der Vertragspartner der Rücktrittserklärung des Erblassers entgegenhalten kann.