Rz. 2

Nach Abs. 1 hat die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen vertragsmäßigen Verfügung die Unwirksamkeit des ganzen Erbvertrages zur Folge, wenn nicht ein anderer Wille der Vertragsschließenden anzunehmen ist, Abs. 3. Es müssen beide Vertragsschließenden als Erblasser vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag getroffen haben; die nach dem Willen der Vertragsschließenden voneinander abhängig sein sollen. Eine solche Abhängigkeit bzw. Wechselbezüglichkeit wird in einem zweiseitigen Erbvertrag i.d.R. anzunehmen sein.[1] Dagegen setzt Abs. 1 nicht voraus, dass die vertragsmäßigen Verfügungen gegenseitig sind, d.h. dass sich die Vertragsschließenden gegenseitig bedacht haben.[2] Die Aufhebungswirkung erstreckt sich nur auf die vertragsmäßigen Verfügungen, auch wenn das Gesetz von der Aufhebung des "ganzen" Erbvertrages spricht. Auf die einseitigen Verfügungen hat die Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügungen zunächst keinen Einfluss; die Wirksamkeit einer solchen Verfügung richtet sich vielmehr nach § 2085 BGB. § 2299 Abs. 2 und Abs. 3 BGB ist nicht einschlägig; er erwähnt die Nichtigkeit nicht, sondern nimmt die Unwirksamkeit auch einer einseitigen Verfügung nur im Fall des Rücktritts vom Erbvertrag oder der Aufhebung des Erbvertrages an.[3] Die Umdeutung einer einseitigen Verfügung in ein Testament ist möglich.[4] Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Nichtigkeit einer einseitigen Verfügung Einfluss auf den Erbvertrag – also die vertragsmäßigen Verfügungen – haben kann. Da die einseitigen Verfügungen ausschließlich nach Testamentsrecht zu beurteilen sind, § 2299 Abs. 2 BGB, sind sie nur äußerlich Bestandteil des Erbvertrages, so dass ihre Unwirksamkeit auf die vertragsmäßigen Verfügungen ohne Einfluss ist. Allerdings können die Vertragsschließenden eine auflösende Bedingung vereinbaren, wonach die Wirksamkeit der vertragsmäßigen Verfügungen von der Wirksamkeit der einseitigen Verfügung abhängig gemacht wird, oder sie können sich für den Fall der Nichtigkeit der einseitigen Verfügung den Rücktritt vorbehalten; in diesen Fällen hat auch die Nichtigkeit einer einseitigen Verfügung Bedeutung für den gesamten Erbvertrag.[5] Eine vertragsmäßige Verfügung kann von Anfang an nichtig sein, z.B. aufgrund eines Formmangels; die Nichtigkeit kann sich aber auch aus einer wirksamen Anfechtung ergeben, des Weiteren aufgrund der Auflösung der Ehe bzw. Verlobung nach §§ 2077, 2279 Abs. 2 BGB oder im Fall einer (späteren) beeinträchtigenden Verfügung nach § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Nichtigkeit ist nicht gleichzusetzen mit den Fällen, in denen die vertragsmäßige Verfügung gegenstandslos wird, z.B. durch vorzeitigen Tod des Bedachten (§§ 1923 Abs. 1, 2160 BGB) oder durch Ausschlagung (§§ 1953, 2180 Abs. 3 BGB); die Wirksamkeit des Erbvertrages richtet sich in diesen Fällen nach § 2085 BGB.[6]

[1] BGH NJW 1961, 120.
[2] Palandt/Weidlich, § 2298 Rn 1.
[3] Vgl. Staudinger/Kanzleiter, § 2298 Rn 10; a.A. Soergel/Wolf, § 2298 Rn 2: Bei Aufhebung des ganzen Erbvertrages gilt § 2299 Abs. 3 BGB analog; vgl. auch die Ausführungen zu § 2299 BGB.
[4] MüKo/Musielak, § 2298 Rn 2.
[5] MüKo/Musielak, § 2298 Rn 2.
[6] H.M.: Palandt/Weidlich, § 2298 Rn 2; Soergel/Wolf, § 2298 Rn 3; Staudinger/Kanzleiter, § 2298 Rn 7; MüKo/Musielak, § 2298 Rn 3.

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