Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
I. Schenkungsversprechen
1. Entgeltliche Verträge
Rz. 2
§ 2301 BGB setzt ein Schenkungsversprechen oder – diesem gleichgestellt – ein selbstständiges Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis voraus; die Vorschrift ist daher auf entgeltliche Verträge nicht anwendbar, so z.B. wenn der Schenker dem Beschenkten für seine geleisteten Dienste nach seinem Tod Geld verspricht. In diesem und in anderen vergleichbaren Fällen wird regelmäßig ein formloser Dienstvertrag anzunehmen sein. Eine entgeltliche "Zuwendung" liegt auch vor, wenn ein Gesellschaftsanteil einem Gesellschafter zuwachsen soll, dieser aber den Erben den Wert des Anteils zu erstatten hat, oder auch ohne Abfindungszahlung, wenn bereits zu Lebzeiten Rechte und Pflichten erzeugt werden. Obwohl § 2301 BGB von "Schenkungsversprechen" spricht, ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift der Schenkungsvertrag i.S.d. §§ 516 ff. BGB gemeint, so dass § 2301 BGB auf einseitige Versprechen nicht anwendbar ist. Da eine "einseitige Schenkung" von Todes wegen bei Einhaltung der Testamentsform in ein Testament umgedeutet werden kann (§§ 133, 140, 2084 BGB), kommt man letztlich zum selben Ergebnis.
2. Nichtvollzogene Schenkungen
Rz. 3
Ist die Schenkung noch nicht vollzogen, dann erklärt § 2301 BGB die erbrechtlichen Vorschriften für anwendbar. Da es sich bei der Schenkung um einen Vertrag handelt, kommen als erbrechtliche Vorschriften in erster Linie die erbvertraglichen (§§ 2274 ff. BGB), bei Ehegatten auch die Vorschriften über das gemeinschaftliche Testament in Betracht. Die Anwendung erbrechtlicher Vorschriften hat folgende Konsequenz: Wird ein Grundstück verschenkt, wird der Beschenkte aber erst nach dem Tod des Schenkers Eigentümer (zum Vollzug der Schenkung vgl. die Ausführungen dort), dann ist die Schenkung unwirksam, weil durch die Eigentumsumschreibung zwar der Formmangel des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt wird, nicht aber der Formmangel nach §§ 2267, 2301 BGB. Handschenkungen, d.h. Schenkungen, die sofort vollzogen werden, fallen grundsätzlich nicht unter den Begriff des "Schenkungsversprechens" und damit nicht in den Anwendungsbereich des § 2301 BGB.
II. Überlebensbedingung
Rz. 4
Die Schenkung bzw. das selbstständige Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis müssen unter der Bedingung erteilt worden sein, dass der Beschenkte den Schenker überlebt; die Bedingung kann eine aufschiebende oder auch eine auflösende – nämlich dass der Beschenkte vorverstirbt – sein. Hat der Schenker ein unbedingtes Schenkungsversprechen abgegeben oder hat er die Schenkung unter einer anderen Bedingung erteilt, dann ist der Anwendungsbereich des § 2301 BGB nicht eröffnet. Entscheidend ist, dass das Schenkungsversprechen – nicht die Erfüllung – bedingt ist; das bedeutet, dass bei einem unbedingten Schenkungsversprechen, bei dem nur die Erfüllung bis zum Tod des Schenkers hinausgeschoben werden soll, § 2301 BGB keine Anwendung findet, z.B. wenn unter Lebenden eine Geldsumme zugewendet wird, die dem Bedachten beim Tod des Schenkers entgeltlich zufallen soll. Für ein unbedingtes Schenkungsversprechen kommt es daher darauf an, ob bereits zu Lebzeiten Rechte und Pflichten begründet werden sollten (auch wenn sie erst mit dem Tod eines Beteiligten wirksam werden sollten). Der Widerrufsvorbehalt als solcher steht der Annahme als (unbedingte) Schenkung unter Lebenden jedoch nicht entgegen. Erfolgt die Schenkung unter der Bedingung, dass beide – Schenker und Beschenkter – gleichzeitig versterben, ist § 2301 BGB nicht anwendbar.
Rz. 5
In der Praxis wird die Schenkung nur ausnahmsweise ausdrücklich unter diese Bedingung gestellt werden; sie wird sich in den meisten Fällen aus den Umständen, insbesondere der Interessenlage, ergeben. Soll die Schenkung auf die Erben des Beschenkten übergehen, dann liegt eine unbedingte Schenkung vor; kommt der Person des Beschenkten entscheidende Bedeutung zu, dann kann eine Übertragung auf Erben im Zweifel nicht gewollt sein, so dass eine bedingte Schenkung anzunehmen ist. Rechnet der Schenker mit seinem Tod oder erfolgt die Zuwendung an seine juristische Person (vgl. hierzu die Ausführungen zum "Bonifatius-Fall", Rdn 7), dann wird man dem Willen des Schenkers nur mit der Annahme einer unbedingten Schenkung gerecht; insbesondere bedeutet die Angabe eines Beweggrundes, z.B. baldiges Versterben, nicht die Aufstellung einer Bedingung. In diesen Fällen tritt aber die Umgehung der erbvertraglichen Vorschriften besonders deutlich zu Tage, so dass auch dieser Aspekt zu berücksichtigen ist und nicht verdrängt werden darf. Beide Aspekte sind in Einklang zu bringen. Ob nun eine letztwillige Verfügung oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden vorliegt, ist in den Fällen entscheidend, in denen ...