Dr. Manuel Tanck, Jaane Kind
Rz. 6
Wurde die Schenkung bereits zu Lebzeiten des Schenkers vollzogen, dann ist es sachgerechter, die Vorschriften für die Schenkung unter Lebenden anzuwenden, Abs. 2. Eine vollzogene Schenkung unterliegt daher §§ 516 ff. BGB, kann daher auch nur nach §§ 530 ff. BGB widerrufen werden. Für die Frage, ob die Schenkung vollzogen ist oder nicht, ist entscheidend, ob der Beschenkte mit dem Tod des Schenkers die geschenkte Rechtsposition erhalten hat, mithin der Schenker alles Erforderliche getan hat, was ohne sein weiteres Zutun zur Erlangung der entsprechenden Rechtsposition führt. Die Erlangung eines Anwartschaftsrechts reicht hierfür schon aus, weil es das Vermögen des Beschenkten mehrt, das des Erblassers zu seinen Lebzeiten mindert. So liegt bei Grundstücken der Vollzug der Schenkung vor, wenn die Auflassung erklärt ist und der Erbwerber einen Umschreibungsantrag gestellt hat, bei einer Auflassungsvormerkung – da die Auflassungsvormerkung kein Bestandteil des für die Rechtsübertragung erforderlichen Verfügungsgeschäfts ist – dagegen nur, wenn der Schenker sich zugleich verpflichtet hat, eine anderweitige Verfügung zu unterlassen. Bei beweglichen Sachen ist eine (bedingte) Übereignung erforderlich, wobei die vollzogene Schenkung, die unter der (aufschiebenden) Bedingung erfolgt, dass der Beschenkte den Schenker überlebt, ebenso unter Abs. 2 fällt wie die Schenkung unter einer (auflösenden) Bedingung, bei der beim Eintritt der auflösenden Bedingung das Zugewendete an den Schenker fällt, § 158 Abs. 2 BGB. Der Vorbehalt eines Widerrufs, der mit dem Tod des Schenkers erlischt, steht der Anwendbarkeit des Abs. 2 ebenfalls nicht entgegen. Auch bei Forderungen genügt, dass diese bedingt abgetreten oder erlassen werden: Verspricht der Schenker einen schenkungsweisen Erlass auf den Todesfall, dann handelt es sich hierbei um ein Befreiungsvermächtnis, das erst dadurch vollzogen wird, dass der Erbe mit dem Bedachten einen Erlassvertrag schließt; der Erblasser kann daher zu Lebzeiten noch frei über die Forderung verfügen, vgl. § 2286 BGB. Der Schenker kann aber auch das Schenkungsversprechen durch einen aufschiebend bedingten Erlass erfüllen.
Rz. 7
Einzelfälle: Der Vollzug einer Verfügung von Todes wegen ist anzunehmen bei Errichtung eines Sparkontos auf den Namen des Bedachten (Kontoinhaber) und Einzahlung auf dieses Konto, bei Einrichtung eines Oder-Kontos, bei dem eine Mitverfügungsbefugnis eingeräumt wird, die im Zeitpunkt des Todes auf den Überlebenden als Alleinberechtigten übergehen soll, Schuldenerlass auch unter Vorbehalt des Zinsgenusses auf Lebenszeit. Den Vollzug abgelehnt hat das RG im "Bonifatius-Fall", bei dem Wertpapiere an einem Boten übergeben worden sind und der Bote diese dem Beschenkten erst nach dem Tod des Schenkers übergeben hat, weil es im Zeitpunkt der Übereignung des Willens der Erben zur Übereignung bedurft hätte und diese den Willen nicht gehabt hätten. Diese Lösung wurde dem Willen des Schenkers nicht gerecht, denn Beschenkter war ein Verein, so dass im Zweifel anzunehmen war, dass die Schenkung nicht unter der Bedingung des Überlebens des Beschenkten erfolgte; demnach war eine Heilung durch Vollzug der Schenkung auch noch nach dem Tod des Schenkers gem. § 516 Abs. 2 BGB möglich. Beauftragt der Erblasser einen Dritten damit, nach seinem Tod das Erfüllungsgeschäft vorzunehmen, dann ist ein Vollzug abzulehnen, selbst wenn der Erblasser den Auftragnehmer unwiderruflich bevollmächtigt hat (postmortale Vollmacht). Das wird bei Übergabe an einen Treuhänder anders zu beurteilen sein, da das Zugewendete bereits vor dem Tod aus dem Vermögen des Schenkers ausscheidet und dem Beschenkten i.d.R. ein Anspruch gegen den Treuhänder zustehen wird; ein solcher Anspruch kann sich entweder aus §§ 328, 331 BGB ergeben oder daraus, dass der Schenker seinen Anspruch gegen den Treuhänder – aufschiebend bedingt durch seinen Tod – an den Beschenkten abgetreten hat. Zu beachten ist in diesen Fällen jedoch stets die Regelung der §§ 130 Abs. 2, 153 BGB, wonach ein Vollzug auch dann zu bejahen ist, wenn der Beschenkte zum Zeitpunkt des Todes des Schenkers noch keine Rechtsposition erwerben konnte, weil zwischen der Abgabe und Annahme der Willenserklärung zufällig der Tod des Schenkers eingetreten ist; entscheidend ist, dass der Tod "zufällig" eingetreten ist. Hat der Schenker den Zugang der entsprechenden Willenserklärung absichtlich bis nach dem Tod hinausgezögert, dann finden §§ 130 Abs. 2, 153 BGB keine Anwendung. Dadurch würde nämlich eine Abgrenzung, wann ein Rechtsgeschäft unter Lebenden und wann eine Verfügung von Todes wegen vorliegt, anhand des "Vollzugs" unmöglich.