Rz. 19
Auch der überlebende Ehegatte zählt zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten. Voraussetzung ist, dass er im Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Erblasser in einer gültigen Ehe verheiratet war. Zu den gültigen Ehen in diesem Sinne zählen auch die sog. "freien Ehen" rassisch und politisch Verfolgter sowie die durch Fern- und Nottrauungen geschlossenen Ehen. War die Ehe vor dem Tod des Erblassers rechtskräftig für nichtig erklärt (§§ 16, 23 EheG) oder aufgehoben (§§ 28 ff. EheG) worden, besteht kein Pflichtteilsrecht (mehr). Dasselbe gilt, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden (§§ 1564 ff. BGB) oder durch Schließung einer neuen Ehe nach einer Todeserklärung (§ 38 Abs. 2 EheG) oder Feststellung der Todeszeit (§ 39 VerschG) aufgelöst worden war. Das bloße Getrenntleben der Ehegatten beseitigt die wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsberechtigungen nicht. Nur wenn im Zeitpunkt des Erbfalls bereits alle Voraussetzungen für die Ehescheidung erfüllt waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte, entfallen gem. § 1933 BGB die Erb- und Pflichtteilsrechte.
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass nur dann von einem wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsausschluss ausgegangen werden kann, wenn im Scheidungsverfahren auch der Antragsgegner der Scheidung zugestimmt hat. Denn nach § 1933 BGB entfällt nur das Pflichtteilsrecht des Antragsgegners im Scheidungsverfahren bzw. des Beklagten im Aufhebungsverfahren. Auch wenn die von der Rspr. bislang nicht beantwortete Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung durch die Lit. äußerst kritisch beurteilt wird, bestehen insoweit erhebliche Risiken für den "passiven Teil" des Scheidungs- bzw. Nichtigkeitsverfahrens.
Das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten ist nach § 1318 Abs. 5 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn er bei Schließung der Ehe deren Aufhebbarkeit kannte. Die Rechtsfolge des § 1933 BGB ist gem. § 1933 S. 2 BGB auf die Aufhebungsklage entsprechend anzuwenden; für die Nichtigkeitsklage gilt sie aber nicht.
Rz. 20
Durch das am 1.8.2001 in Kraft getretene Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vom 16.2.2001, das sog. Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), wurde die Möglichkeit geschaffen, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen. Nach dem 30.9.2017 können Lebenspartnerschaften nicht mehr geschlossen werden (§ 1 S. 1 LPartG), das LPartG gilt aber für die vor diesem Zeitpunkt geschlossenen Lebenspartnerschaften fort (§ 1 S. 2 LPartG) Die Eingehung einer Lebenspartnerschaft ließ u.a. auch ein gesetzliches Erbrecht der Lebenspartner entstehen, § 10 Abs. 1 LPartG. Der damit einhergehende Pflichtteilsanspruch ergibt sich aus § 10 Abs. 6 S. 1 LPartG. Nach dieser Vorschrift kann der enterbte Lebenspartner einen Pflichtteil i.H.d. Hälfte seines gesetzlichen Erbteils von dem oder den Erben des Verstorbenen verlangen. Die Vorschriften des BGB über den Pflichtteil sind gem. § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG entsprechend anzuwenden. Der überlebende Lebenspartner ist "wie ein Ehegatte zu behandeln". Diese Formulierung führt dazu, dass auf den Lebenspartner auch die Vorschrift des § 2325 Abs. 3 BGB, betreffend den Beginn der 10-Jahres-Frist bei lebzeitigen Zuwendungen des zuerst versterbenden Lebenspartners an den Überlebenden, anzuwenden ist. Voraussetzung für das Bestehen eines gesetzlichen Erbrechts sowie eines Pflichtteilsanspruchs des Lebenspartners ist, dass im Zeitpunkt des Erbfalls eine rechtswirksame Lebenspartnerschaft bestand. Liegen in diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft vor und hatte der Erblasser die Aufhebung der Partnerschaft beantragt bzw. ihr zugestimmt, besteht kein gesetzliches Erbrecht des Lebenspartners; auch das Pflichtteilsrecht entfällt dann.
Der gesetzliche Güterstand in eingetragener Partnerschaft lebender gleichgeschlechtlicher Lebenspartner ist seit dem 1.1.2005 – wie bei Ehegatten – die Zugewinngemeinschaft. Alternativ besteht aber nach § 7 LPartG die Möglichkeit, durch notariell beurkundeten Lebenspartnerschaftsvertrag Abweichendes zu vereinbaren, nämlich die Gütertrennung (§ 7 Abs. 1 LPartG) sowie die Gütergemeinschaft (§ 7 Abs. 1 S. 2 LPartG). Wie der Zugewinn-Ehegatte hat auch der mit dem Erblasser in Zugewinngemeinschaft lebende überlebende Lebenspartner die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und den konkreten Ausgleichungsanspruch sowie den kleinen Pflichtteil zu fordern.