Rz. 10
Mit Inkrafttreten des KindRG sind die Vorschriften über die Legitimation nichtehelicher Kinder (§§ 1719–1740g BGB a.F.) ersatzlos entfallen. Mit der früheren Regelung sollte einem nichtehelichen Kind bei nachfolgender Eheschließung der Eltern der Status eines ehelichen Kindes zukommen. Mit der Gleichstellung ehelicher und nichtehlicher Kinder seit dem 1.4.1998 war diese Regelung überflüssig geworden, insbesondere im Hinblick auf die neuen Abstammungsvorschriften. Das bisherige Recht gilt aber in Ausnahmefällen weiter, nämlich dann, wenn vor dem 1.4.1998
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der Erblasser verstorben ist, |
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eine rechtswirksame Vereinbarung über den Erbausgleich getroffen wurde oder |
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der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden war. |
Rz. 11
An diesen Ausnahmen hat sich auch durch die jüngsten gesetzgeberischen Maßnahmen (Zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder) nichts geändert. Im Übrigen ist nach aktueller Gesetzeslage (mit Wirkung ab dem 29.5.2009) eine völlige Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder gewährleistet.
In der Zeit vor dem 29.5.2009 galt dies jedoch (noch) nicht uneingeschränkt. Denn vor dem 1.7.1949 geborene Kinder nahmen eine Sonderstellung ein; für sie stellte sich die Situation wie folgt dar:
Gem. § 10 Abs. 2 NEhelG hatten nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden (und deren Vater zur Zeit der Geburt in den "alten Bundesländern" lebte), kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater und umgekehrt. Hieran hatte sich auch durch das Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes (zunächst) nichts geändert. Die Regelung wurde vielmehr ausdrücklich beibehalten, um zu verhindern, dass Väter nach über 40 Jahren mit Erb- und Pflichtteilsansprüchen konfrontiert wurden, die sie bei ihren vermögens- und erbrechtlichen Dispositionen bislang außer Acht lassen konnten. Mangels erbrechtlicher Legitimation bestand bei diesen nichtehelichen Kindern auch kein Pflichtteilsrecht nach dem Vater. Art. 14 § 14 KindRG eröffnete aber durch die Einführung eines neuen § 10a NEhelG a.F. die Möglichkeit, dass Vater und nichteheliches Kind durch notariell beurkundete Vereinbarung die Anwendung des § 10 Abs. 2 NEhelG a.F. ausschließen konnten. Waren Vater oder Kind verheiratet, bedurfte die Vereinbarung der notariell beurkundeten Einwilligung des jeweiligen Ehegatten, § 10a Abs. 3 S. 1 NEhelG a.F. Wurde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, bestanden konsequenterweise auch wechselseitige Pflichtteilsansprüche.
Nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, deren Vater jedoch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der ehemaligen DDR hatte, hatten entsprechend dem damaligen Recht der DDR nach ihm ein volles Erbrecht und zwar unabhängig davon, ob der Vater vor oder nach dem Beitritt der DDR am 3.10.1990 verstarb, Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB. Für das Erbrecht des Vaters und der väterlichen Verwandten beim Tod des nichtehelichen Kindes kam es entscheidend auf den Wohnsitz des Vaters im Zeitpunkt der Wiedervereinigung an.
Rz. 12
Zwischen dem 1.7.1949 und der Wiedervereinigung (3.10.1990) in der damaligen DDR geborene und durch den Vater dort anerkannte nichteheliche Abkömmlinge waren nach ihrem Vater ebenfalls pflichtteilsberechtigt. Soweit dieser bis zur Wiedervereinigung im Beitrittsgebiet gelebt hatte und vor dem 1.4.1998 verstorben war, resultierten diese Ansprüche aus Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB a.F. Seit dem 1.4.1998 waren auch die (seit dem 1.7.1949) in der ehemaligen DDR geborenen nichtehelichen Kinder den ehelichen gleichgestellt.
Rz. 13
Die unterschiedliche Behandlung der vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder hatte das BVerfG ausdrücklich für zulässig erklärt. Dem widersprach aber – zu Recht – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der diese Differenzierung als Verletzung der Rechte der Betroffenen aus Art 14 EMRK (Diskriminierungsverbot i.V.m. Art. 8 EMRK) wertete. Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit dem Zweiten Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder.
Im Zeitablauf ergeben sich vor diesem Hintergrund folgende unterschiedliche Rechtslagen:
Erbfälle vor dem 29.5.2009 unterliegen weiterhin dem seinerzeit geltenden Recht. Eine rückwirkende Anwendung des neuen Rechts für die Zeit vor der Entscheidung des EGMR kommt aus verfassungsrechtlichen Gründen prinzipiell nicht in Betracht. Das Rückwirkungsverbot schützt allerdings nur den Bürger, nicht den Staat. Daher regelt Art 12 § 10 Abs. 2 NEhelG n.F. einen Ersatzanspruch solcher nichtehelicher Kinder, die nach früherem Recht kein Erbrecht nach ihrem Vater besaßen, wenn dieser nach § 1936 BGB vom Fiskus beerbt wurde. Leistungspflichtig ist das jeweilige Land, dem der Nachlass angefallen ist, bzw. der Bund.
Erbfälle ab dem 29.5.2009 unterliegen – ungeachtet des Umstandes, dass die Änderungen des NEhelG erst am 4.11.2011 verkündet wurden – der neuen Rechtslage. Durch die Entscheidung des EGMR sah der Gesetzgeber das Ve...