I. Allgemeines (Tatbestandsmerkmale)
Rz. 2
Voraussetzung für das Bestehen eines ordentlichen Pflichtteilsanspruchs ist, dass der Anspruchsteller zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört und durch Verfügung des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.
Mit dem Eintritt des Erbfalls wandelt sich unter diesen Voraussetzungen die bereits zu Lebzeiten des Erblassers bestehende abstrakte Pflichtteilsberechtigung in einen konkreten und bezifferbaren Geldanspruch, den Pflichtteilsanspruch.
II. Pflichtteilsberechtigte Personen
1. Kreis der Pflichtteilsberechtigten
Rz. 3
Zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen zählen die Abkömmlinge des Erblassers (Abs. 1) sowie seine Eltern und sein Ehegatte (Abs. 2). Für Erbfälle seit dem 1.8.2001 ist auch der eingetragene Lebenspartner einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft pflichtteilsrechtlich einem Ehegatten gleichgestellt. Für die Bestimmung des jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisses sind ebenso wie bei der gesetzlichen Erbfolge die familienrechtlichen Regelungen maßgeblich.
Nicht pflichtteilsberechtigt sind sämtliche Verwandte, die in § 2303 BGB nicht ausdrücklich genannt sind, insbesondere also die Großeltern oder entferntere Voreltern sowie die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge (Nichten, Neffen etc.).
2. Abkömmlinge des Erblassers
a) Grundsatz
Rz. 4
Die Abkömmlinge des Erblassers sind die Erben erster Ordnung i.S.d. § 1924 Abs. 1 BGB, also seine Verwandten in gerader absteigender Linie (§ 1589 Abs. 1 S. 1 BGB) (Kinder, Enkel, Urenkel etc.). Das Verwandtschaftsverhältnis eines Abkömmlings zur Mutterfamilie wird nach § 1591 BGB durch die Frau vermittelt, die das Kind geboren hat, und zwar auch dann, wenn das Kind nicht genetisch von ihr abstammt. Demgegenüber setzt das Verwandtschaftsverhältnis zur Vaterfamilie die Zuordnung des in Betracht kommenden Mannes als rechtlicher Vater des Kindes i.S.v. § 1592 BGB voraus. Gem. § 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Dies gilt selbst dann, wenn es offenbar unmöglich ist, dass die Frau das Kind von ihm empfangen hat. Entscheidend ist die rechtliche, nicht die genetische Abstammung. Die Frage der (tatsächlichen) Abstammung kann im Rahmen eines Pflichtteilsprozesses nicht – z.B. auf Einwand des beklagten Erben – zum Prozessgegenstand gemacht und inzidenter geprüft werden. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige, selbstständig zu klärende Vorfrage. Pflichtteilsansprüche können im Streitfall erst nach rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden.
Soweit der Mann die Vaterschaft für ein außerhalb (s)einer Ehe geborenes Kind anerkannt hat oder seine Vaterschaft rechtskräftig festgestellt ist (§§ 1592 Nr. 2 und 3, 1594, 1600d, 1600e BGB), handelt es sich auch bei diesem Kind um einen Abkömmling im pflichtteilsrechtlichen Sinne.
Durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.2011 ist zwischenzeitlich sichergestellt, dass auch vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder nach ihrem Vater vollumfänglich erb-und pflichtteilsberechtigt sind (Details vgl. Rdn 10 ff.).
Weiterhin ist zu beachten, dass das Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmlinge ausgeschlossen ist, wenn der die Verwandtschaft vermittelnde nähere Abkömmling bei Eintritt des Erbfalls noch am Leben ist. Darüber hinaus gelten gem. § 2309 BGB Einschränkungen für den Fall, dass der die Verwandtschaft vermittelnde nähere Abkömmling noch am Leben, aber erbrechtlich weggefallen ist. Zu den Abkömmlingen i.S.d. § 2303 BGB zählt, für den Fall dass er lebend geboren wird, auch der nasciturus (vgl. § 1923 Abs. 2 BGB), der zur Zeit des Erbfalles bereits gezeugt war.