I. Rechtsnatur des Pflichtteilsanspruchs
Rz. 32
Der Pflichtteilsanspruch ist gem. § 2317 Abs. 1 BGB ein mit dem Erbfall entstehender, rein schuldrechtlicher Anspruch des Berechtigten. Er vermittelt gerade keine dingliche Teilhabe am Nachlass. Die Erben sind Gesamtschuldner der Pflichtteilsverbindlichkeit, die als reine Geldsummenschuld zu begreifen ist. Der Pflichtteilsanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 BGB, die im Rang sonstigen Nachlassverbindlichkeiten wie z.B. dem Zugewinnausgleichsanspruch nachgeht. Allerdings ist der Pflichtteil noch vor Vermächtnissen und Auflagen zu befriedigen, vgl. § 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
II. Höhe des Pflichtteilsanspruchs
1. Grundsätzliches
Rz. 33
Der Pflichtteil beträgt gem. Abs. 1 die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird somit von zwei Faktoren bestimmt, erstens von der gesetzlichen Erbquote und zweitens vom Wert und Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (Abs. 1 S. 2, § 2311 BGB). Denn der Pflichtteilsanspruch ist grundsätzlich durch Anwendung der zutreffenden Pflichtteilsquote auf den Wert des Nachlasses zu errechnen.
Die Höhe des gesetzlichen Erbteils hängt von der Zahl der "gesetzlichen Miterben" ab, da sich nach ihr die Erbquote bestimmt. Maßgeblich ist insoweit die hypothetische Erbquote, die sich bei Anwendung nur der gesetzlichen Vorgaben (ohne Beachtung konkreter letztwilliger Verfügungen) ergeben hätte. Vor diesem Hintergrund ist es für den Pflichtteilsberechtigten von erheblicher Bedeutung, den Kreis der gesetzlichen Erben zu kennen. Er hat daher bspw. ein rechtliches Interesse an der Todeserklärung eines die Höhe seiner Erb- bzw. Pflichtteilsquote beeinflussenden Verwandten des Erblassers. Bei der Bestimmung dieser hypothetischen Erbquote werden auch die enterbten (§ 1938 BGB), die für erbunwürdig erklärten (§§ 2339 ff. BGB) und diejenigen gesetzlichen Erben, die ausgeschlagen haben, mitgezählt. Auch das nichteheliche Kind ist bei der Bestimmung des Pflichtteils eines anderen Pflichtteilsberechtigten mitzuzählen. Nicht mitgezählt werden dagegen diejenigen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls vorverstorben sind, und diejenigen, die auf ihren Erbteil verzichtet haben (§ 2310 BGB). Ein Erbverzicht wirkt also für die verbleibenden gesetzlichen Erben pflichtteilserhöhend. Wegen der Auswirkungen ausgleichungspflichtiger lebzeitiger Zuwendungen vgl. die Kommentierung zu § 2316.
2. Quotenbestimmung bei verheirateten Erblassern
a) Grundsätzliches zur Erbquote des Ehegatten
Rz. 34
Der Umfang des Erbteils des überlebenden Ehegatten hängt bekanntlich von dem Güterstand ab, in dem die Eheleute bis zum Tod des Erblassers verheiratet waren; teilweise spielt auch die Zahl der Abkömmlinge eine Rolle. Dies ist umso bedeutsamer, als der Umfang des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten den Teil des Nachlasses bestimmt, der für eine (gleichmäßige) Verteilung unter den Abkömmlingen überhaupt noch zur Verfügung steht.
Gem. § 1931 Abs. 1 BGB erbt der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung (Abkömmlingen) grundsätzlich ¼, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern die Hälfte.
Soweit Gütertrennung besteht, erhöht sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten, wenn er neben einem Kind erbt, auf ½ und, wenn er neben zwei Kindern erbt, auf ⅓ des Nachlasses.
b) Besonderheiten beim überlebenden Zugewinn-Ehegatten
Rz. 35
Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann ebenfalls zu einer Verschiebung der Erbquoten und folglich zu einer Veränderung der Pflichtteilsquoten führen. Dies hat seine Ursache in den besonderen Regelungen zum Erbrecht des überlebenden Ehegatten einer Zugewinn-Ehe. Sedes materiae ist § 1371 BGB. Dieser lautet wie folgt:
§ 1371 BGB Zugewinnausgleich im Todesfall
(1)Wird der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten beendet, so wird der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft erhöht; hierbei ist unerheblich, ob die Ehegatten im einzelnen Falle einen Zugewinn erzi...