Rz. 59
Die erbschaftsteuerliche Behandlung des Pflichtteilsverzichts hängt maßgeblich vom Zeitpunkt der Verzichtserklärung ab. Grundsätzlich wäre in einem unentgeltlichen Verzicht eine ebenfalls steuerpflichtige freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) an den Erben zu sehen. Diese ist aber gem. § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen. Hierdurch soll die Entschließungsfreiheit des Berechtigten gewahrt werden, den vor der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs bestehenden Schwebezustand durch Verzicht zu beenden, ohne hierdurch eine zusätzliche Steuerbelastung für den Erben auszulösen. Dasselbe gilt auch für die stillschweigende Unterlassung der Geltendmachung. Verzichtet der Pflichtteilsberechtigte erst nach der Geltendmachung seines Anspruchs, kann hierin bei einem unentgeltlichen oder teilentgeltlichen Verzicht eine im Ergebnis steuerpflichtige freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zugunsten des bzw. der Erben liegen. § 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG greift in diesem Fall nicht ein, da gerade nicht auf die Geltendmachung des Anspruchs verzichtet wird, sondern auf den bereits geltend gemachten Anspruch.
Rz. 60
Den Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung regelt § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, wonach die erlangte Abfindung der Erbschaftsteuer unterliegt. Der Verzicht gegen Abfindung soll dabei auch nach Eintritt des Erbfalls noch möglich sein, ohne dass hierin gleichzeitig eine Geltendmachung des Pflichtteils zu sehen wäre. Diese Variante kann den Vorteil haben, zivilrechtliche Risiken im Zusammenhang mit Pflichtteilsstrafklauseln zu vermeiden, wenn hier nicht die einvernehmliche Pflichtteilsgeltendmachung als Enterbungsgrund ausgenommen ist. Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO ist hierin (wohl nur) dann zu sehen, wenn die vereinbarte Abfindungszahlung bis zum Ableben des zahlungsverpflichteten Erben aufgeschoben wird.
Wird als Abfindung (von vornherein) eine Rentenzahlung vereinbart, stellt dies zwar einen Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG dar, eine Einkommensteuerpflicht lösen die wiederkehrenden Zahlungen aber nicht aus. Anders stellt sich die Situation aber dar, wenn zunächst eine Einmalzahlung besprochen bzw. sogar vereinbart wurde, die anschließend, etwa im Rahmen einer Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung, zeitlich gestreckt oder verrentet wird. Denn hier ist der in den einzelnen Raten- bzw. Teilzahlungen enthaltene Zinsanteil einkommensteuerpflichtig.