1. Ausschluss durch den Erblasser
Rz. 22
Ein Pflichtteilsanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn der Berechtigte nicht oder nicht wenigstens in Höhe seiner Pflichtteilsquote Erbe oder Vermächtnisnehmer wird. Der Ausschluss von der Erbfolge muss durch Verfügung von Todes wegen erfolgen, und zwar indem der Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich enterbt (negatives Testament) oder der gesamte Nachlass anderen Personen zugewendet wird (und hierin auch ein Ausschließungswille zum Ausdruck kommt). Auch die Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2269 BGB) stellt beim Tod des erstversterbenden Elternteils für den bzw. die Abkömmlinge eine Enterbung nach diesem Elternteil dar. Die Aussicht, nach dem Tod des längst lebenden Ehegatten zur Erbfolge zu gelangen, hat hierauf keinen Einfluss. Auch die Begünstigung durch eine Auflage oder die Ernennung zum (alleinigen) Testamentsvollstrecker ändert an der Enterbung nichts. Ist der Pflichtteilsberechtigte unter einer auflösenden Bedingung oder Befristung zum Erben berufen (z.B. als Vorerbe), fällt ihm die Erbschaft – wenn auch belastet – im Zeitpunkt des Erbfalls an, er ist also nicht enterbt. In diesem Zusammenhang sind auch sog. "Verwirkungsklauseln" zu erwähnen. Sie zielen i.d.R. darauf ab, Erben bzw. Vermächtnisnehmer von einer Missachtung bestimmter Anordnungen des Erblassers abzuhalten. Für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnungen des Erblassers entfällt das Erbrecht bzw. der Vermächtnisanspruch des Verstoßenden. Er ist in diesem Falle also durch letztwillige Verfügung des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen und daher pflichtteilsberechtigt.
Rz. 23
Die aufschiebend befristete Erbeinsetzung (Nacherbeinsetzung gem. § 2100 BGB) führt nicht zu einem Ausschluss von der Erbfolge, obwohl dem Pflichtteilsberechtigten die Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht anfällt. Für den Fall, dass der Eintritt des Nacherbfalls später unmöglich wird, erhält der Berechtigte den Pflichtteilsanspruch, ohne die Erbschaft noch ausschlagen zu müssen. Denn er hat dann in Bezug auf die Erbschaft keine durch Ausschlagung noch aufzugebende Rechtsstellung mehr inne. Hingegen stellt sich die aufschiebend bedingte Erbeinsetzung als Berufung zum Ersatzerben gem. § 2096 BGB dar. Der Ersatzerbe ist aber bis zum Eintritt der den Ersatzerbfall auslösenden Bedingung kein Erbe; er kann daher vor Bedingungseintritt seinen Pflichtteil verlangen. Tritt nach Auszahlung des Anspruchs die Bedingung ein und wird der Pflichtteilsberechtigte nun Erbe, fallen die Voraussetzungen des § 2303 BGB weg. Der Pflichtteil ist nach Bereicherungsgrundsätzen zurück zu gewähren.
Rz. 24
Ist der Berechtigte auf einen unter seiner Pflichtteilsquote liegenden Erbteil eingesetzt, ist er nicht ausgeschlossen i.S.v. § 2303 BGB. Seine Ansprüche richten sich dann nach § 2305 BGB. Ist der zugewendete Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet, greift ebenfalls nicht § 2303 BGB ein, sondern § 2306 BGB. Kein Ausschluss i.S.d. § 2303 BGB liegt vor, wenn der Berechtigte zwar von der Erbfolge ausgeschlossenen wurde, ihm aber stattdessen ein Vermächtnis hinterlassen ist, das er annimmt, § 2307 BGB. Schlägt der Pflichtteilsberechtigte das Vermächtnis aus, steht ihm der Pflichtteilsanspruch zu, und zwar selbst dann, wenn das ausgeschlagene Vermächtnis einen höheren Wert hatte. Hingegen gilt der Begünstigte einer Auflage von vornherein als von der Erbfolge ausgeschlossen.
2. Auslegung der letztwilligen Verfügung
Rz. 25
Der Ausschluss von der Erbfolge muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Ggf. ist ein entsprechender...