1. Keine Erbeinsetzung
Rz. 6
Gem. § 2087 BGB liegt in der Zuwendung einer Quote grundsätzlich eine Erbeinsetzung. § 2304 BGB bildet hierzu eine Ausnahme, die bei Erfüllung des Tatbestandes der Anwendung von § 2087 BGB vorgeht (lex specialis). Soweit einer letztwilligen Verfügung kein abweichender Wille des Erblassers zu entnehmen ist, wird der auf seinen Pflichtteil Eingesetzte nicht Erbe.
Eine Auslegungsregel, ob der nicht als Erbe berufene Pflichtteilsberechtigte allein auf seinen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch verwiesen ist oder ob ihm ein Vermächtnisanspruch zusteht, enthält § 2304 BGB nicht. Insoweit richtet sich die Ermittlung des Erblasserwillens nach den allg. Auslegungsregeln.
2. Verweisung auf den Pflichtteil
Rz. 7
Von einer Verweisung (nur) auf den Pflichtteil ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn der Erblasser erkennbar die Absicht hat, dem Pflichtteilsberechtigten lediglich das belassen zu wollen, was er ihm im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht ohnehin nicht entziehen kann, er also durch seine Anordnungen lediglich die (tatsächliche oder vermeintliche) Rechtslage wiedergibt. Insoweit wird mitunter auch von einer "widerwilligen" Erwähnung des Pflichtteils gesprochen.
Rz. 8
Eine Verweisung auf den Pflichtteil setzt selbstverständlich voraus, dass der "Bedachte" auch tatsächlich pflichtteilsberechtigt ist.
3. Vermächtnisanordnung
Rz. 9
Soweit der Erblasser die Absicht verfolgt, dem Bedachten etwas zu gewähren, was ihm nach den Vorgaben der §§ 2303 ff. BGB nicht bereits von Gesetzes wegen gebührt, hat seine Anordnung einen begünstigenden Charakter. Es kann sich dann (von den Ausnahmefällen der Erbeinsetzung einmal abgesehen) nur um eine Vermächtnisanordnung handeln.
Rz. 10
Ein gewährender Charakter in diesem Sinne ist jedenfalls immer dann anzunehmen, wenn der Begünstigte gar nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört oder er nach den Vorstellungen des Erblassers mehr (oder weniger) als den gesetzlichen Pflichtteil oder etwas anderes als Geld erhalten soll.
Rz. 11
Dasselbe gilt, wenn der Erblasser anordnet, dass sich die Höhe des dem Bedachten zustehenden (Geld-)Anspruchs nicht nach dem Nachlassbestand im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 BGB) richten, sondern sich bspw. an einem später erzielten Verkaufserlös bei der Verwertung bestimmter Nachlassgegenstände orientieren soll.
Zu nennen ist hier auch das sog. Pflichtteilsvermächtnis (auch Deckungsvermächtnis), mit dessen Hilfe der Erblasser dem Begünstigten (konkretes) Vermögen zuwendet, mit dessen Hilfe wertmäßig (wenigstens) der Pflichtteil gedeckt werden soll. Nach der Rechtsprechung ist die allgemeine Formulierung, der Alleinerbe solle seine Geschwister "finanziell abfinden", für die Annahme eines Vermächtnisses in Höhe des Pflichtteils nicht ausreichend.
Rz. 12
In die Kategorie "Vermächtnisanordnung" fallen i.d.R. auch Verwirkungsklauseln, bei denen die Verweisung auf den Pflichtteil als Sanktion für ein "Fehlverhalten" des Pflichtteilsberechtigten angeordnet wird. Denn bis zum Eintritt der entsprechenden Bedingung (Fehlverhalten oder auch Wiederverheiratung) ist der Betroffene (ja gerade) nicht enterbt und daher (ohne Ausschlagung) auch nicht pflichtteilsberechtigt. Mithin kann hier (auch wenn auf den ersten Blick ein Begünstigungswille vorliegt) nur eine Vermächtnisanordnung vorliegen.
Anders ist die Lage aber bei Pflichtteilsstrafklauseln, die für den Fall der Pflichtteilsgeltendmachung nach dem ersten Erbfall eine Enterbung für den zweiten Erbfall vorsehen. Diese sind als Verweisung auf den Pflichtteil anzusehen und haben keinen gewährenden Charakter.
4. Unterschiede zwischen Pflichtteils- und Vermächtnisanspruch
Rz. 13
Zwischen Vermächtnis- und Pflichtteilsanspruch bestehen sowohl in rechtlicher als mitunter auch in tatsächlicher Hinsicht diverse Unterscheide, von denen nachfolgend einige Aspekte grob umrissen werden sollen.
Je nachdem, ob bzw. welche Vorstellungen der Erblasser im Hinblick auf diese oder ähnliche Charakteristika der Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten hatte, kann sich hieraus sein Wil...