I. Grundsätzliches
Rz. 8
Der mit einem unzureichenden Erbteil i.S.d. § 2305 BGB bedachte Pflichtteilsberechtigte bleibt grundsätzlich zu dem ihm hinterlassenen Bruchteil Erbe. Der Pflichtteilsrestanspruch besteht in der Differenz zwischen dem Wert des zugewendeten Erbteils und dem Pflichtteil (= Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils). Soweit der zugewendete Erbteil reicht, ist ein Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen. Das führt dazu, dass auch eine Ausschlagung nicht die Geltendmachung des vollen Pflichtteils ermöglicht. Dem Berechtigten steht auch nach Ausschlagung lediglich der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB zu; von der Teilhabe am Nachlass im Übrigen ist er ausgeschlossen.
Rz. 9
Wie der ordentliche Pflichtteil ist auch der Pflichtteilsrestanspruch ein reiner Geldanspruch und stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar, für die die Miterben gesamtschuldnerisch haften. Ungeachtet des Umstands, dass der Anspruch unmittelbar mit dem Erbfall entsteht, ist er grundsätzlich im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu befriedigen. Da der Pflichtteilsberechtigte selbst auch Miterbe ist, können die übrigen Miterben ihm gegenüber gem. § 2063 Abs. 2 BGB die Haftung beschränken, selbst wenn gegenüber anderen Nachlassgläubigern unbeschränkt gehaftet wird. Für die Berichtigung des Pflichtteilsrestanspruchs bzw. seine Berücksichtigung i.R.d. Erbauseinandersetzung ist insbesondere § 2046 Abs. 2 BGB zu beachten.
II. Rechtsfolgen bei Vorliegen von Beschränkungen und Beschwerungen
Rz. 10
Ist der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil mit Beschränkung oder Beschwerung i.S.v. § 2306 BGB belastet, so stellt S. 2 klar, dass der Wert der Beschränkungen und Beschwerungen im Rahmen der Berechnung des Zusatzpflichtteils nicht zum Ansatz kommt. § 2305 BGB dient also ausdrücklich nicht dem Ziel, den Pflichtteilsberechtigten vor den wirtschaftlichen Folgen von zu seinen Lasten angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen zu befreien. Er muss dies vielmehr – unabhängig von den wirtschaftlichen Folgen – (er)tragen. Will sich der Pflichtteilsberechtigte hiervon lösen, muss er – was nach § 2306 Abs. 1 BGB seit der Erbrechtsreform ohne weiteres möglich ist – das ihm Hinterlassene ausschlagen und stattdessen seinen (ordentlichen) Pflichtteil verlangen.
Rz. 11
Der Zusatzpflichtteil stellt sich somit (rechnerisch) dar als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils abzüglich des Bruttowerts des hinterlassenen Erbteils, also ohne Abzug des Werts von etwa angeordneten Belastungen und Beschwerungen.
Rz. 12
S. 2 birgt damit für den Pflichtteilsberechtigten das Risiko, dass er im Falle der Annahme eines belasteten Erbteils im Ergebnis deutlich weniger erhält als seinen Pflichtteil (und auch weniger als er vor der Erbrechtsreform bekommen hätte). Dieses Ergebnis ist aber im Hinblick auf die (gegenüber der Rechtslage vor 2010 erweiterten) Ausschlagungsmöglichkeiten nach § 2306 Abs. 1 BGB und auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber eine weitestgehende Gleichstellung von pflichtteilsberechtigten Erben und pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmern erreichen wollte, durchaus angemessen.
Rz. 13
Verdeutlichen lässt sich die Systematik einschließlich der Konsequenzen der Gesetzesänderung anhand des nachfolgenden Beispiels:
Beispiel
Der verwitwete Erblasser E hinterlässt als einzigen Pflichtteilsberechtigten das Kind K. Diesem hat er testamentarisch einen Erbteil von ¼ hinterlassen. Der Nachlass hat einen Wert von 10.000 EUR. In seinem Testament hat E zu Lasten des K ein Vermächtnis zugunsten des X i.H.v. 1.000 EUR angeordnet.
Lösung nach aktueller Rechtslage (ab 1.1.2010):
K hat nach neuem Recht die Wahl, den ihm hinterlassenen Erbteil anzunehmen oder auszuschlagen.
a) |
Nimmt K den hinterlassenen Erbteil an, gelten für ihn sämtliche angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen, insbesondere das Vermächtnis zugunsten des X. Dies gilt unabhängig davon, ob der hinterlassene Erbteil kleiner ist als der Pflichtteil. K erhält also (nach Begleichung des Vermächtnisses) einen Erbteil von 1.500 (= 2.500 EUR ./. 1.000 EUR Vermächtnis). Daneben kann er seinen Zusatzpflichtteil geltend machen, bei dessen Berechnung aber Beschränk... |