a) Grundsatz – Quotenerbteil
Rz. 38
Für den Vergleich des tatsächlich hinterlassenen Erbteils mit dem gesetzlichen Pflichtteil sind grundsätzlich die vom Erblasser angeordneten Erbquoten maßgeblich. Beschränkungen und Beschwerungen, mit denen der hinterlassene Erbteil belastet ist, bleiben hierbei unberücksichtigt. Fällt dem Pflichtteilsberechtigten mehr als ein Erbteil zu, sind sämtliche Erbteile zusammenzurechnen. Es gilt die Faustformel des RG "Quote statt Quantum". Soweit die Pflichtteilsquote davon abhängt, ob der überlebende Ehegatte die erbrechtliche oder die güterrechtliche Lösung wählt, ist auf dessen konkretes Verhalten im Einzelfall abzustellen. Das gilt auch für in Zugewinngemeinschaft lebende Partner einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft (vgl. § 6 LPartG, der auf §§ 1364–1390 BGB verweist).
b) Ausnahmen – "Quantum statt Quote"
Rz. 39
Liegt eine Erbeinsetzung nach Bruchteilen nicht vor, bspw. weil der Erblasser sein (mehr oder weniger) ganzes Vermögen gegenständlich zugewiesen hat – also entgegen § 2087 Abs. 2 BGB –, muss die Erbquote zunächst durch einen Vergleich der jeweils zugewandten Gegenstände mit dem Wert des Gesamtnachlasses ermittelt werden. Diese Vorgehensweise ist dann auch i.R.d. § 2306 BGB maßgeblich. Gleiches gilt, wenn dem Pflichtteilsberechtigten neben seinem Erbteil auch ein Vermächtnis zugewendet wurde, da ein automatischer Wegfall der Belastungen gem. Abs. 1 S. 1 a.F. nur in Betracht kommt, wenn die Summe aus den Werten von Erbteil und Vermächtnis den sich rechnerisch ergebenden Pflichtteil nicht übersteigt.
Rz. 40
Auch bei lebzeitigen Vorempfängen, insbesondere bei ausgleichungs- oder anrechnungspflichtigen Zuwendungen, stößt die Quotentheorie an ihre Grenzen. Denn unter Berücksichtigung der Vorempfänge stellt die Quote nicht mehr den zutreffenden Maßstab für den gesetzlichen Erbteil und somit den in der Hälfte dessen Wertes bestehenden Pflichtteil dar. Wie diesem Problem zu begegnen ist, ist in der Lit. heftig umstritten. Die inzwischen wohl überholte, früher in der Rspr. h.M. ging von der reinen Quotentheorie aus, was den Vorteil hatte, die Situation des Betroffenen rasch und auf einfachem Wege klären zu können. Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sprechen ebenso wie der Wortlaut des Gesetzes (Abs. 1 spricht lediglich von der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, nicht – wie § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB – von der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils) für diese Theorie.
Rz. 41
Teilweise wird die Quotentheorie um eine Wertanrechnungspflicht erweitert. Das bedeutet, dass sich der Pflichtteilsberechtigte auf den nach Abs. 1 S. 1 a.F. von allen Belastungen befreiten Erbteil den Betrag anrechnen lassen muss, um den der Wert dieses Erbteils den sich unter Berücksichtigung von Anrechnungs- und Ausgleichungsverpflichtungen ergebenden (Wert-)Erbteil übersteigt. Diese Methode ermöglicht zwar – ebenso wie die reine Quotentheorie – eine relativ einfache Abgrenzung, wann der Berechtigte die Erbschaft ausschlagen sollte und wann nicht. Andererseits führen die Quotentheorien aber im Ergebnis dazu, dass beschränkende Anordnungen des Erblassers, die unter Berücksichtigung von Anrechnungs- und Ausgleichungsverpflichtungen durchaus Bestand haben könnten, per se hinfällig werden. Die von Marotzke geforderte Anrechnung verschärft dieses Problem noch, da die vom Erblasser bewusst vorgenommene Erbeinsetzung auf eine bestimmte Quote durch die Anrechnung (jedenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung) konterkariert werden kann. Die Quotentheorien sind daher nicht in der Lage, die Probleme im Zusammenhang mit lebzeitigen Vorempfängen befriedigend zu lösen.
Rz. 42
Nach zutreffender für das alte Recht h.M. sind Fälle, bei denen Anrechnungs- und Ausgleichungspflichten berücksichtigt werden müssen...