Rz. 44
Ergibt sich, dass der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt, gelten gem. Abs. 1 S. 1 a.F. die Beschränkungen und Beschwerungen – und zwar unabhängig von einem evtl. entgegenstehenden Willen des Pflichtteilsberechtigten selbst – als nicht angeordnet. Dem zufolge ist der Pflichtteilsberechtigte i.H.d. ihm zugedachten Erbquote unbeschränkter Vollerbe. Liegt der ihm dadurch zufallende wirtschaftliche Wert über dem sich rechnerisch ergebenden Wert des Pflichtteils, ändert dies nichts. Dem Berechtigten steht nach Abs. 1 S. 1 a.F. der ungeschmälerte Erbteil zu. Hinsichtlich einer zum Wert seines Pflichtteils evtl. noch fehlenden Differenz hat er ggf. Anspruch auf den Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB. Die Wirkungen des Abs. 1 S. 1 a.F. treffen i.d.R. ausschließlich den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten. Schlägt dieser aus, bleiben die Belastungen zu Lasten derer, denen die Ausschlagung zustattenkommt, zunächst bestehen. Soweit sie selbst pflichtteilsberechtigt sind, kann aber auch ihnen § 2306 BGB zugutekommen. Unter Umständen kann auch eine Kürzung von Belastungen wegen der (infolge der Ausschlagung entstandenen) Pflichtteilslast erfolgen, § 2322 BGB. Die Verpflichtung der übrigen Erben, (auch) zu Ihren Lasten angeordnete Beschränkungen oder Beschwerungen zu erfüllen bzw. zu dulden, wird durch die Anwendung von § 2306 BGB auf den Erbteil des Pflichtteilsberechtigten nicht tangiert (insbesondere eine Testamentsvollstreckung bleibt zu Lasten der übrigen Erben i.d.R. bestehen). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erblasser offenbar einen anteiligen Wegfall der Beschränkungen oder Beschwerungen nicht gewollt hat, oder wenn eine inhaltliche Trennung gar nicht möglich ist.
Rz. 45
Schlägt der Pflichtteilsberechtigte in der Situation des Abs. 1 S. 1 a.F. den (nun von Gesetzes wegen unbelasteten) Erbteil aus, ist auch die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs ausgeschlossen, da er kraft eigenen Entschlusses und nicht etwa aufgrund Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Etwas anders gilt nur für den überlebenden Zugewinn-Ehegatten, dem auch hier die Wahl zwischen der erbrechtlichen und der güterrechtlichen Lösung bleibt. Auf einen evtl. bestehenden Pflichtteilsrestanspruch wirkt sich die Ausschlagung keinesfalls aus. Ebenso ist natürlich auch die (isolierte) Ausschlagung eines dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassenen Vermächtnisses – gleich welchen Wertes – unschädlich.