Rz. 28
Alternativ hat der Pflichtteilsberechtigte in den Fällen des Abs. 1 immer die Möglichkeit, das ihm Hinterlassene, also die Erbschaft insgesamt bzw. seinen Erbteil auszuschlagen. Umstritten ist dabei teilweise, welchen genauen Inhalt die hier in Rede stehende Ausschlagungserklärung konkret haben muss. Zum einen wird vertreten, die Ausschlagung müsse sich auf die testamentarische Erbeinsetzung beschränken, da im Falle einer Ausschlagung auch einer etwa bestehenden gesetzlichen Erbberechtigung der Pflichtteil verloren ginge (keine Beschränkung durch den Erblasser). Die Gegenauffassung fordert die Ausschlagung aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen, was aber nicht zwingend eine Erklärung beinhalte, auch auf den Pflichtteil zu verzichten. Insoweit ist davon auszugehen, dass auch eine Ausschlagung "aus allen Berufungsgründen" grundsätzlich nicht als Verzicht auf jegliche Nachlassbeteiligung, insbesondere auf den Pflichtteil, zu verstehen ist.
An Tatbestand und Normzweck des Abs. 1 orientiert, kommt allein eine differenzierende Betrachtung zum korrekten Ergebnis: Die Ausschlagung muss sich immer auf all diejenigen Berufungsgründe beziehen, nach denen dem Ausschlagenden ein beschwerter bzw. belasteter Erbteil hinterlassen ist. Eine darüber hinaus gehende Ausschlagung auch des gesetzlichen Erbrechts (soweit dies im konkreten Fall überhaupt zum Tragen kommt) ist weder zu fordern noch zuzulassen. Denn als gesetzlicher (also nicht beschwerter) Erbe bedarf der Pflichtteilsberechtigte des Schutzes durch das Wahlrecht nach Abs. 1 gerade nicht.
Rz. 29
In Folge der Ausschlagung steht dem Ausschlagenden der volle Pflichtteilsanspruch zu. Soweit es sich bei dem Pflichtteilsberechtigten um den überlebenden Ehegatten oder den eingetragenen Lebenspartner eines in Zugewinngemeinschaft lebenden Paares handelt, kommt es durch die Ausschlagung zur sog. güterrechtlichen Lösung. Mithin steht dem Ausschlagenden nur der kleine Pflichtteil (berechnet aus dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil) und daneben der Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1371 Abs. 3 BGB zu. Ein Anspruch auf den großen Pflichtteil ist ausgeschlossen.
Rz. 30
Weitere Folge der Ausschlagung des Pflichtteilsberechtigten ist, dass die Erbschaft (rückwirkend) gem. § 1953 Abs. 2 BGB demjenigen anfällt, der als Erbe berufen wäre, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (Ersatzerbe). Durch den Erblasser angeordnete Beschränkungen und Beschwerungen sind dann von diesem (Ersatz-)Erben zu erfüllen, soweit sie nicht speziell die Person des Pflichtteilsberechtigten treffen sollten. Der an die Stelle des Pflichtteilsberechtigten Getretene hat nach § 2320 BGB auch die Pflichtteilslast zu tragen. Er kann aber ggf. Vermächtnisse und Auflagen nach § 2322 BGB kürzen, soweit dies zur Deckung der Pflichtteilslast erforderlich ist.