1. Rechtsfolgen des Abs. 1
a) Wahlrecht
Rz. 24
Bei Bestehen von Beschwerungen und/oder Beschränkungen, also im Falle des Vorliegens des Tatbestandes des Abs. 1, hat der Pflichtteilsberechtigte ein Wahlrecht, das ihm Hinterlassene anzunehmen (mit allen Beschwerungen und Beschränkungen) oder es auszuschlagen, um seinen Pflichtteil zu verlangen.
Dieses Wahlrecht entsteht mit der Ausschlagung von Gesetzes wegen, hat höchstpersönlichen Charakter und ist daher nicht selbstständig übertragbar, wohl aber vererblich (§ 1952 BGB). Eine Überleitung des Ausschlagungsrechts auf den Sozialhilfeträger (§ 93 SGB XII) ist ausgeschlossen, da der Sozialhilfeträger sonst Einfluss auf die Erbfolge nehmen und so den Erblasserwillen konterkarieren könnte. Da es sich bei dem Wahlrecht auch nicht um ein selbstständiges Nebenrecht handelt, scheidet auch eine Anwendung von § 401 BGB aus.
b) Annahme der Erbschaft
Rz. 25
Wie gesagt, hat der Pflichtteilsberechtigte, dem ein mit Beschränkungen oder Beschwerungen belasteter Erbteil hinterlassen ist, immer ein Wahlrecht, ob er das ihm Hinterlassene (samt sämtlichen Beschränkungen und Beschwerungen) annehmen oder aber die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil geltend machen will. Der Umfang bzw. das Ausmaß der Belastungen spielt für die Anwendbarkeit von Abs. 1 keine Rolle. Die Vorschrift gilt auch dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte zum Alleinerben berufen ist.
Rz. 26
Nimmt der Pflichtteilsberechtigte das ihm Hinterlassene an, bleibt er Erbe und hat alle sich daraus ergebenden Rechte. Gleichzeitig bleiben aber die zu seinen Lasten angeordneten Beschwerungen und Beschränkungen bestehen, so dass er bspw. auch zu seinen Lasten angeordnete Vermächtnisse selbst dann erfüllen muss, wenn hierdurch der Wert des ihm hinterlassenen Erbteils vollständig ausgehöhlt wird. Hiergegen wird der Pflichtteilsberechtigte auch nicht durch § 2318 Abs. 3 BGB oder § 2305 BGB geschützt.
Rz. 27
War der Pflichtteilsberechtigte bei Annahme der Erbschaft über das Bestehen von Beschränkungen und Beschwerungen bzw. über deren Ausmaß im Irrtum, kann aber eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB in Betracht kommen, wenn durch die Erfüllung der Anordnungen wertmäßig der Pflichtteilsanspruch gefährdet wäre (Einzelheiten vgl. Rdn 50).
c) Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 28
Alternativ hat der Pflichtteilsberechtigte in den Fällen des Abs. 1 immer die Möglichkeit, das ihm Hinterlassene, also die Erbschaft insgesamt bzw. seinen Erbteil auszuschlagen. Umstritten ist dabei teilweise, welchen genauen Inhalt die hier in Rede stehende Ausschlagungserklärung konkret haben muss. Zum einen wird vertreten, die Ausschlagung müsse sich auf die testamentarische Erbeinsetzung beschränken, da im Falle einer Ausschlagung auch einer etwa bestehenden gesetzlichen Erbberechtigung der Pflichtteil verloren ginge (keine Beschränkung durch den Erblasser). Die Gegenauffassung fordert die Ausschlagung aus allen in Betracht kommenden Berufungsgründen, was aber nicht zwingend eine Erklärung beinhalte, auch auf den Pflichtteil zu verzichten. Insoweit ist davon auszugehen, dass auch eine Ausschlagung "aus allen Berufungsgründen" grundsätzlich nicht als Verzicht auf jegliche Nachlassbeteiligung, insbesondere auf den Pflichtteil, zu verstehen ist.
An Tatbestand und Normzweck des Abs. 1 orientiert, kommt allein eine differenzierende Betrachtung zum korrekten Ergebnis: Die Ausschlagung muss sich immer auf all diejenigen Berufungsgründe beziehen, nach denen dem Ausschlagenden ein beschwerter bzw. belasteter Erbteil hinterlassen ist. Eine darüber hinaus gehende Ausschlagung auch des gesetzlichen Erbrechts (soweit dies im konkreten Fall überhaupt zum Tragen kommt) ist weder zu fordern noch zuzulassen. Denn als gesetzlicher (also nicht bes...