Rz. 10
Wird der Pflichtteilsberechtigte als Vorerbe eingesetzt, ist er nach § 2306 BGB belastet. Dies gilt auch bei befreiter Vorerbschaft oder Einsetzung eines Nacherben auf den Überrest, § 2137 BGB. Gleichgültig ist, ob der Pflichtteilsberechtigte auflösend befristet oder auflösend bedingt zum Erben berufen ist. Denn im Ergebnis unterliegt der auflösend Bedachte in jedem Fall den Beschränkungen des § 2113 BGB. Vor diesem Hintergrund wird auch diskutiert, ob der potentiell von einer Wiederverheiratungsklausel betroffene überlebende Ehegatte, der bei Wiederverheiratung seine Erbenstellung verlieren soll (sog. konstruktive Vorerbenstellung), als beschränkt i.S.v. § 2306 BGB anzusehen ist.
Rz. 11
Ist der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe berufen, steht diese Anordnung des Erblassers gem. Abs. 2 den Beschränkungen und Beschwerungen des Abs. 1 gleich. Die Beschränkung besteht darin, dass er den ihm zugedachten Erbteil erst nach einem anderen, dem Vorerben, erhält. Ist der Eintritt der Nacherbfolge nicht nur hinsichtlich des "Wann", sondern auch des "Ob" fraglich, ist die Nacherbeneinsetzung also aufschiebend bedingt (und nicht nur befristet), sind die Rechtsfolgen umstritten.
Teilweise wird vertreten, der Pflichtteilsberechtigte sei aufgrund des ungewissen Bedingungseintritts vollständig von der Erbfolge ausgeschlossen mit der Folge, dass ihm – ohne Ausschlagung – ein ordentlicher Pflichtteilsanspruch zusteht. Soweit es später zum Bedingungseintritt kommt, muss sich nach dieser Auffassung der Nacherbe das aufgrund der (nun rechtsgrundlos gewordenen) Pflichtteilsgeltendmachung Erlangte auf seine Nacherbschaft anrechnen lassen.
Nach zutreffender Ansicht stellt aber Abs. 2 für alle Fälle der Nacherbfolge eine einheitliche Regelung dar, die es nicht sinnvoll erscheinen lässt, die aufschiebend bedingte Nacherbeneinsetzung aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen. § 2306 BGB ist auf diese Fälle anzuwenden. Der Pflichtteilsberechtigte muss also zunächst ausschlagen, um dann seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können. Für diese Sichtweise spricht – neben dem Wortlaut – auch, dass der aufschiebend bedingt zum Erben Eingesetzte ebenfalls ein Anwartschaftsrecht auf die Nacherbschaft erlangt. Des Weiteren weist Lange zu Recht darauf hin, dass die Rechtspositionen des unter einer aufschiebenden Befristung bzw. unter einer aufschiebenden Bedingung zum Nacherben berufenen Pflichtteilsberechtigten auch wirtschaftlich vergleichbar sind bzw. sein können. Der Eintritt einer Bedingung ist im Vergleich zu dem einer Befristung nicht zwingend unkalkulierbarer, zumal auch bei einer Befristung keinesfalls gesichert ist, dass der Pflichtteilsberechtigte den Fristablauf erlebt. Umgekehrt sind jedoch ohne Weiteres Konstellationen vorstellbar, in denen der Eintritt des Nacherbfalls an ein bestimmtes Verhalten des Pflichtteilsberechtigten geknüpft ist, so dass dieser selbst den Eintritt des Nacherbfalls herbeiführen kann. Schließlich würde die unterschiedliche Behandlung befristeter und bedingter Erbeinsetzungen auch erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten und zu Rechtsunsicherheiten führen, wenn beide Elemente miteinander vermischt sind. So geht bspw. auch das OLG Köln zu Recht vom Nichtvorliegen einer planwidrigen Regelungslücke aus.