Rz. 13
Gem. § 2180 BGB erfolgt die Ausschlagung des Vermächtnisses gegenüber dem Beschwerten; eine versehentlich vor dem Nachlassgericht erklärte Ausschlagung wird aber wirksam, wenn sie dem Beschwerten entsprechend dem mutmaßlichen Willen des Pflichtteilsberechtigten mitgeteilt wird. Sie ist weder form- noch fristgebunden, jedoch bedingungs- und befristungsfeindlich. Im Übrigen gelten §§ 2176, 2180 BGB sowie §§ 1950, 1952 Abs. 1, 3 und § 1953 Abs. 1, 2 BGB entsprechend. Die Ausschlagung ist nicht vor Eintritt des Erbfalls möglich, kann aber bereits vor Anfall des Vermächtnisses erfolgen; dies ist bei aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnissen auch erforderlich, wenn der volle Pflichtteil geltend gemacht werden soll. Die Ausschlagung führt dazu, dass das Vermächtnis als nicht angefallen gilt bzw. ein (späterer) Anfall nicht mehr erfolgen kann. Die Beschränkung der Ausschlagung auf einen Teil des Vermächtnisses ist nicht möglich, sie kann stets nur für das Vermächtnis insgesamt erfolgen. Hat der Pflichtteilsberechtigte das Vermächtnis angenommen, ist eine spätere Ausschlagung nicht mehr möglich. Dasselbe gilt, wenn das Vermächtnis erlischt. Während seines Bestehens ist das Wahlrecht nach § 2307 BGB einschließlich des Ausschlagungsrechts aber auch vererblich.
Rz. 14
Auch wenn sogar eine Ausschlagung durch schlüssiges Verhalten möglich ist, kann in der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nur dann eine konkludente Ausschlagung zu sehen sein, wenn Pflichtteils- und Vermächtnisschuldner dieselbe Person sind. Hat der Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt der Pflichtteilsgeltendmachung keine Kenntnis von dem Vermächtnis oder glaubt er, es stünde ihm neben dem Pflichtteil zu, scheidet eine schlüssige Ausschlagung aus. Auch wenn lediglich der Pflichtteilsrestanspruch eingefordert wird, ist im Zweifel keine Ausschlagung gewollt. Schließlich steht der Pflichtteilsrestanspruch dem Berechtigten auch ohne vorherige Vermächtnisausschlagung zu. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass stets die Umstände des Einzelfalls in die Entscheidung, ob das Vermächtnis ausgeschlagen wurde oder nicht, mit einzubeziehen sind. Kommt es insoweit zu Auslegungsschwierigkeiten, ist im Zweifel immer die für den Pflichtteilsberechtigten günstigere Auslegung zu bevorzugen. Ob dieser Grundsatz in der Praxis in allen Fällen Beachtung findet, ist aber fraglich. Daher ist dem Pflichtteilsberechtigten zu raten, sein Verhalten und seine Erklärungen gegenüber dem Pflichtteils- und Vermächtnisschuldner so eindeutig wie möglich zu gestalten, damit Unklarheiten über die Frage der Ausschlagung gar nicht erst aufkommen können. Die Vermächtnisausschlagung für einen Minderjährigen bedarf nach OLG Köln der familiengerichtlichen Genehmigung, so dass hier ohne deren Vorliegen auch keine konkludente Ausschlagung in Betracht kommen kann.
Rz. 15
Macht der Pflichtteilsberechtigte von seinem Ausschlagungsrecht wirksam Gebrauch, führt dies dazu, dass der Anfall des Vermächtnisses an den Pflichtteilsberechtigten gem. §§ 1953 Abs. 1, 2180 Abs. 3 BGB als nicht erfolgt gilt. Der Weg zum vollen Pflichtteil ist dann frei. Die Pflichtteilsberechnung vollzieht sich in diesem Fall nach den allg. Grundsätzen, also auch unter Berücksichtigung anrechnungs- bzw. ausgleichungspflichtiger Vorempfänge. Handelt es sich bei dem Ausschlagenden um den überlebenden Zugewinn-Ehegatten, hat dieser nach der güterrechtlichen Lösung lediglich Anspruch auf den kleinen Pflichtteil. Ein Wahlrecht zum großen Pflichtteil besteht nicht. Gleiches gilt gem. § 6 LPartG auch für den überlebenden Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft, wenn die Partner im Vermögensstand der Ausgleichungsgemeinschaft lebten.