1. Art und Weise der Annahme
Rz. 16
Auch die Annahme des Vermächtnisses kann erst nach Eintritt des Erbfalls erklärt werden; eine besondere Form oder die Einhaltung einer Frist (§ 2180 Abs. 3 BGB verweist nämlich nicht auf § 1944 BGB) sind nicht vorgeschrieben, so dass auch die Annahme durch schlüssiges Verhalten möglich ist. Nach Abs. 2 kann dem Pflichtteilsberechtigten aber durch den beschwerten Erben eine Frist zur Annahme gesetzt werden. Mitunter kann auch in der Einforderung der vermächtnisweise versprochenen Leistung die konkludente Annahme zu sehen sein. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch selbst geltend macht. Das Wahlrecht nach Abs. 1 ist höchstpersönlicher Natur, so dass eine Annahmehandlung des Testamentsvollstreckers dem Pflichtteilsberechtigten nicht zugerechnet werden kann. Mit der Annahme des Vermächtnisses ist auch immer die Verpflichtung zur Erfüllung damit durch letztwillige Verfügung verbundener Belastungen und Beschwerungen – Untervermächtnis, Testamentsvollstreckung etc. – verbunden.
Rz. 17
Grundsätzlich ist die Annahme des Vermächtnisses (ebenso wie auch die Ausschlagung) bedingungsfeindlich. Nach zutreffender Auffassung besteht aber dessen ungeachtet die Möglichkeit, die Annahme unter dem Vorbehalt des Pflichtteils, insbesondere des Pflichtteilsrestanspruchs (§ 2305 BGB), zu erklären. Dies hat seine Ursache insbesondere darin, dass der Pflichtteilsanspruch bereits mit dem Erbfall (und nicht erst mit der Ausschlagungserklärung) entsteht und auch durch die Vermächtnisannahme nicht vernichtet wird. Vielmehr steht ihm, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht, eine Einrede entgegen. Vor diesem Hintergrund ist in der Annahme des Vermächtnisses unter Vorbehalt des Pflichtteils ein den endgültigen Rechtsgrund offenlassendes Zahlungsverlangen zu sehen, das weder als Annahme noch als Ausschlagung des Vermächtnisses gewertet werden kann. Hier ist also sogar die spätere Ausschlagung des Vermächtnisses nicht ausgeschlossen.
2. Wirkungen der Annahme
a) Vermächtnisanspruch
Rz. 18
Die Annahme des Vermächtnisses (ohne Pflichtteilsvorbehalt) bewirkt, dass der Pflichtteilsberechtigte dieses endgültig erwirbt und gleichzeitig seinen Pflichtteilsanspruch – soweit er durch das Vermächtnis gedeckt ist – (wirtschaftlich) verliert. Der Vermächtnisanspruch unterliegt den allg. Regeln über Vermächtnisse. Besonderheiten aufgrund von § 2307 BGB ergeben sich nicht. Die Verjährung des Anspruchs unterliegt somit § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB; im Insolvenzfalle steht das Vermächtnis gleichrangig neben dem Pflichtteilsanspruch, soweit es diesen nicht übersteigt, § 327 Abs. 2 S. 1 InsO, wobei jedoch im Gegensatz zum Pflichtteil kein Pfändungsschutz nach § 852 ZPO oder einer entsprechenden Regelung besteht. Erweist sich der Vermächtnisanspruch gegen den Beschwerten im Nachhinein – aus welchen Gründen auch immer – als nicht werthaltig, ändert dies an der Annahme und den damit verbundenen Wirkungen nichts, insbesondere ist eine nachträgliche Ausschlagung, wie oben erwähnt, ausgeschlossen.
Rz. 19
Problematisch sind in diesem Zusammenhang vor allem die Fälle, in denen die Vermächtnisanordnung auflösend bedingt ist und die Bedingung an die Geltendmachung des Pflichtteils anknüpft. Soweit derartige Anordnungen dahingehend auszulegen sind, dass das Vermächtnis anstelle des Pflichtteils zugewendet werden sollte (Regelfall), führt der Bedingungseintritt nach Annahme des Vermächtnisses für den Pflichtteilsberechtigten u.U. zu einem vollständigen Verlust seiner Rechte. Das Vermächtnis entfällt aufgrund des Bedingungseintritts, ist aber wegen des Verweises in § 2307 BGB auf § 2306 BGB in voller Höhe auf den Pflichtteil anzurechnen, so dass i.d.H. des Werts des Vermächtnisses alle Ansprüche entfallen sind. Folgert man aus der Ausgestaltung der Vermächtnisanordnung weiter, dass mit der Annahme automatisch ein Verzicht auf den – weitergehenden – Pflichtteil verbunden ist, besteht nicht einmal mehr der Pflichtteilsrestanspruch. Vor dem Hintergrund, dass der Pflichtteilsberechtigte ohne weiteres die Möglichkeit hat, seinen Pflichtteil durch die Ausschlagung des Vermächtnisses zu sichern, bestehen gegen die Zulässigkeit derartiger Vermächtnisse keine Bedenken.