1. Erbunwürdigkeit/Pflichtteilsunwürdigkeit
Rz. 5
Durch die Erbunwürdigkeitserklärung verliert der betroffene (nähere) Abkömmling gem. § 2344 Abs. 1 BGB mit rückwirkender Kraft sein Erbrecht. Er gilt als vor dem Erbfall verstorben. Somit werden entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers, gegen die die Erbunwürdigkeit grundsätzlich nicht wirkt, nicht mehr von der gesetzlichen Erbfolge und – da der Erbunwürdige auch sein Pflichtteilsrecht verliert – vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Ausgleichungspflichtige Zuwendungen, die der Erbunwürdige zu Lebzeiten des Erblassers erhalten hat, oder die Annahme eines etwa trotz der Erbunwürdigkeit bestehen bleibenden Vermächtnisses zu seinen Gunsten können aber das Pflichtteilsrecht der entfernteren Verwandten – wenigstens teilweise – ausschließen.
Rz. 6
Ist der nähere Berechtigte (nur) pflichtteilsunwürdig, löst dies keine Vorversterbensfiktion aus. Vielmehr führt es nur dazu, dass der Betroffene selbst keinen Pflichtteil verlangen kann, die gesetzliche Erbfolge bleibt aber im Übrigen unberührt. Daher wird ein entfernterer Berechtigter in dieser Situation nach wie vor durch den näheren, pflichtteilsunwürdigen repräsentiert und damit pflichtteilsrechtlich verdrängt.
2. Erbverzicht/Pflichtteilsverzicht
Rz. 7
Der Erbverzicht (eines näheren Abkömmlings) bewirkt gem. § 2346 BGB, dass der Verzichtende als zur Zeit des Erbfalls bereits verstorbenen gilt. Sofern sich der Erbverzicht, wie in § 2349 BGB als Regelfall vorgesehen, auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, sind auch diese von der gesetzlichen Erbfolge und somit auch vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen. Der Erbverzicht kann sich dann nur zugunsten anderer vom Erblasser abstammender Abkömmlinge oder seiner Eltern auswirken. Ein Pflichtteilsrecht der Eltern ergibt sich aber nur, wenn nicht § 2350 Abs. 2 BGB eingreift, dem zufolge der Verzicht eines Abkömmlings im Zweifel nicht zugunsten der Eltern des Erblassers wirkt. Ein Erbverzicht unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts wirkt sich i.R.d. § 2309 BGB nicht aus; die entfernteren Abkömmlinge und die Eltern bleiben von der Geltendmachung des Pflichtteils ausgeschlossen. Ein isolierter Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB, bewirkt keine Änderung der gesetzlichen Erbfolge und bringt daher auch keine Pflichtteilsberechtigung der entfernteren Berechtigten – kraft eigenen Rechts – mit sich, soweit nicht eine Enterbung des näher Berechtigten hinzutritt.
Beschränkt der verzichtende Abkömmling seinen Erbverzicht entgegen der Vermutungsregel des § 2349 BGB auf seine eigene Person und schließt dadurch eine Ausdehnung der Verzichtswirkung auf seine Abkömmlinge aus, bezieht sich auch die Vorversterbensfiktion allein auf den Verzichtenden. Seine Abkömmlinge (entferntere Berechtigte) sind nur pflichtteilsberechtigt, wenn sie durch letztwillige Verfügung enterbt sind. Wird in dieser Situation der Verzichtende testamentarischer Erbe und nimmt die Erbschaft an, kann auch dies zu keinem Pflichtteilsanspruch der entfernteren Abkömmlinge führen. Denn die entfernteren Abkömmlinge werden von dem (ungeachtet des früheren Verzichts tatsächlich) zur Erbfolge gelangenden näheren Abkömmling ausgeschlossen. Anders sieht dies indes der BGH, der die hier angesprochene Konstellation (alle beteiligten Personen gehören demselben Stamm an) als nicht vom Normzweck des § 2309 BGB gedeckt ansieht. Diese Sichtweise überzeugt nicht und birgt überdies das Risiko zufälliger Ergebnisse; gleichzeitig stellt sie eine kaum gerechtfertigte Einschränkung der Testierfreiheit dar.