I. Regelung des S. 1
Rz. 5
Bei der Ermittlung der Pflichtteilsquote mitzuzählen sind diejenigen (alle gesetzlichen Erben), die durch Enterbung, Ausschlagung der Erbschaft oder Erbunwürdigkeitserklärung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind. Ob sie im konkreten Fall selbst das Recht haben, den Pflichtteil geltend zu machen, ist insoweit nicht relevant. Demzufolge spielt es auch keine Rolle, ob der als gesetzlicher Erbe Weggefallene überhaupt zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehört, ob er für pflichtteilsunwürdig erklärt wurde oder ob ihm der Pflichtteil wirksam entzogen ist.
Rz. 6
Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge setzt in jedem Fall eine Enterbung durch letztwillige Verfügung voraus. Eine wirtschaftliche Aushöhlung der Erbschaft, z.B. durch Vermächtnisse und/oder Auflagen, genügt nicht.
Als Enterbung kommt sowohl ein entsprechendes Negativ-Testament, durch das der Betroffene von der gesetzlichen Erbfolge ausdrücklich ausgeschlossen wird, als auch eine den Nachlass erschöpfende Erbeinsetzung anderer Personen in Betracht. Ein etwaiger Pflichtteilsverzicht des Enterbten ist hier ohne Bedeutung.
Der Ausschlagende ist stets mitzuzählen, und zwar unabhängig davon, ob er durch seine Ausschlagung pflichtteilsberechtigt wird oder aber sein Pflichtteilsrecht verliert. Auch der Erbunwürdige wird bei der Pflichtteilberechnung stets mitgezählt.
Ob durch die Erbunwürdigkeitserklärung der Anfall des gesetzlichen oder eines gewillkürten Erbteils entfällt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist aber jedenfalls die Feststellung der Erbunwürdigkeit (§ 2344 BGB) im konkreten Erbfall; allein das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2339 BGB genügt nicht.
Rz. 7
Der Fall, dass ein vom Erblasser bereits lebzeitig bedachter Abkömmling infolge von Ausgleichungs- oder Anrechnungsbestimmungen – gleichgültig, ob sie auf gesetzlicher Anordnung oder auf dem Willen des Erblassers beruhen – trotz Erbeinsetzung nichts mehr erhält (§ 2056 S. 1 BGB), fällt dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht unter § 2310 BGB. Der Vorbedachte ist hier nämlich nicht enterbt. Somit ist er – auch ohne Anwendung von § 2310 BGB – bei der Pflichtteilsberechnung selbstverständlich mitzuzählen.
II. Verhältnis von S. 1 zu § 2309 BGB und zum Ehegattenerbrecht
1. Grundsätzliche Anwendbarkeit von § 2309 BGB
Rz. 8
§ 2310 BGB regelt ausschließlich die Art und Weise der Pflichtteilsberechnung. Die Frage, wer überhaupt pflichtteilsberechtigt ist, wird hierdurch aber nicht beeinflusst. Demzufolge kann die Anwendung von § 2310 BGB auch nicht zu einer Abänderung der nach § 2309 BGB erlangten Ergebnisse führen. Aus diesem Grunde darf bei der Berechnung des Pflichtteils eines entfernteren Verwandten der i.S.d. § 2309 BGB weggefallene nähere Abkömmling, den der entferntere Verwandte pflichtteilsrechtlich ersetzt, nicht mitgezählt werden. Andernfalls würde dem Eintretenden der ihm nach § 2309 BGB eröffnete Pflichtteil durch das Mitzählen des Weggefallenen wieder entzogen. § 2309 BGB stellt also insgesamt eine Sonderregelung zu § 2310 BGB dar.
Beispiel 1
Erblasser E hinterlässt drei Abkömmlinge, A, B und C, sowie seine Lebensgefährtin L. L ist testamentarische Alleinerbin. A ist für erbunwürdig erklärt, an seine Stelle tritt gem. § 2309 BGB sein Sohn S.
Bei der Berechnung der Pflichtteilsquoten von B und C ist gem. § 2310 S. 1 BGB der A mitzuzählen, so dass sich eine Pflichtteilsquote von jeweils 1/6 ergibt. Bei der Berechnung der Pflichtteilsquote von S wird aber von dessen abstrakter...