Rz. 248
Als Fortsetzungsklauseln, denen im Bereich der Personenhandelsgesellschaften vor allem vor Inkrafttreten des HRefG erhebliche praktische Bedeutung zukam und die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach wie vor wesentliche Gestaltungsinstrumente bilden, werden solche Regelungen bezeichnet, denen zu Folge die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird.
Rz. 249
Der verstorbene Gesellschafter scheidet im Zeitpunkt seines Todes aus der Gesellschaft aus. Damit erlöschen automatisch auch alle ihm bis dato zustehenden gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte. Die gesamthänderische Beteiligung des Verstorbenen wächst den übrigen (Mit-)Gesellschaftern gem. § 105 Abs. 3 HGB, § 738 Abs. 1 S. 1 BGB – automatisch, also ohne dass es hierzu irgendeiner weiteren Handlung bedürfte – an.
Rz. 250
In den Nachlass fällt (bestenfalls) ein Abfindungsanspruch gem. § 738 Abs. 1 S. 2 BGB, der sich gegen die Gesellschaft (als solche) richtet. Für die Wertbemessung des Abfindungsanspruchs ist nach der Rechtsprechung des BGH vom Ertragswert des Anteils auszugehen. Denn da die Fortsetzungsklausel gerade eine Fortführung der Gesellschaft sichern soll, muss es hier auf den Fortführungswert und nicht etwa auf den Liquidationswert ankommen. Maßgeblich ist also der tatsächliche Wert, der entweder (traditionell) nach dem Ertragswertverfahren oder nach der Discounted-Cash-Flow-Method zu ermitteln ist.
Rz. 251
Um die sich bei einer Bestimmung des Abfindungsanspruches nach diesen Kriterien ergebende Liquiditätsbelastung der Gesellschaft, die durchaus existenzbedrohende Ausmaße annehmen kann, sowie langwierige Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und den Erben des Verstorbenen zu vermeiden, wird die Fortsetzungsklausel in der Praxis oftmals durch eine Abfindungsklausel flankiert. Da § 738 Abs. 1 S. 2 BGB nach überwiegender Ansicht dispositiven Charakter hat, können gesellschaftsvertraglich sowohl Regelungen zur betragsmäßigen Begrenzung des Abfindungsguthabens als auch bloße Fälligkeitsregelungen (z.B. ratenweise Auszahlung des Guthabens) getroffen werden. In der Praxis sind Abfindungsklauseln in den verschiedensten Erscheinungsformen sehr häufig anzutreffen. Dabei steht zumeist die Absicherung der Gesellschaft gegen unerwartete und mitunter sehr erhebliche Liquiditätsabflüsse im Vordergrund. Denn eine "vollwertige", sofort fällige Abfindung geht in vielen Fällen über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens hinaus und kann daher leicht ganz erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten auslösen. In der Praxis wird daher oftmals der Buchwert der Bemessung des Abfindungsanspruchs zugrunde gelegt.
Rz. 252
Während Buchwertklauseln grundsätzlich auch bei lebzeitigem Ausscheiden aus der Gesellschaft anerkannt werden, wird die Zulässigkeit eines völligen Abfindungsausschlusses abgelehnt. Für den Fall des Ausscheidens durch Tod ist der Abfindungsausschluss jedoch zulässig mit der Folge, dass im Erbfall von vornherein gar kein Abfindungsanspruch entsteht und daher auch nicht Bestandteil des Nachlasses sein kann.
Rz. 253
Weit verbreitet sind daneben auch Vereinbarungen, die zur Ermittlung der Abfindung ein bestimmtes, zwischen den Gesellschaftern vereinbartes, Berechnungsverfahren vorsehen. Insoweit wurde in der Vergangenheit oftmals auf steuerorientierte Wertermittlungsverfahren, insbesondere auf das Stuttgarter Verfahren nach R 96 ff. ErbStR 2003 verwiesen. Aber auch Multiplikatorverfahren sind durchaus verbreitet.
Rz. 254
Nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB steht dem ausscheidenden Gesellschafter grundsätzlich ein Abfindungsanspruch für den Verlust seines Gesellschaftsanteils zu. Dieser Abfindungsanspruch fällt in den Nachlass und ist deshalb auch in die Berechnung des Pflichtteils einzubeziehen.
Rz. 255
Für den Fall, dass abfindungsbeschränkende gesellschaftsvertragliche Regelungen eingreifen, sind diese grundsätzlich auch im Rahmen der Pflichtteilsberechnung (beim ordentlichen Pflichtteil und beim Pflichtteilsergänzungsanspruch) zu berücksichtigen. Demzufolge wirken sich gesellschaftsrechtlich zulässige Abfindungsbeschränkungen bzw. auch ein vollständiger Abfindungsausschluss auf den ordentlichen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 2303 BGB in der Weise aus, dass weder der Gesellschaftsanteil noch ein an dessen Stelle tretender Abfindungsanspruch in die Pflichtteilsberechnung einbezogen werden kann. Dies gilt nach (noch) herrschender Meinung jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn der Abfindungsausschluss für alle Gesellschafter gleichermaßen betrifft und keinen der Beteiligten unangemessen benachteiligt. Wegen der Problematik hierdurch entstehender Pflichtteilsergänzungsansprüche vgl. § 2325 Rdn 45 ff.