Rz. 20
Bei einigen der vorgenannten Vermögensgegenstände sind folgende Besonderheiten zu beachten:
a) Erbrechtliche Ansprüche
Rz. 21
Soweit zum pflichtteilsrelevanten Nachlass erbrechtliche Ansprüche gehören, stellt sich die Frage, ob deren Einbeziehung in die Pflichtteilsberechnung davon abhängen kann, ob der Erbe die zum Nachlass zählende Erbschaft oder das Vermächtnis annimmt oder nicht.
Bislang wurde hierzu überwiegend vertreten, eine etwaige Ausschlagung müsse auch der Pflichtteilsberechtigte gegen sich gelten lassen. Sie führe zu einer Minderung des Nachlassbestandes und somit auch zu einer Reduzierung etwaiger Pflichtteilsansprüche.
Ebenso wurden auch Pflichtteilsansprüche des Erblassers bislang überwiegend als nicht im Nachlassbestand zu erfassende höchstpersönliche Rechte angesehen.
Rz. 22
Diese Sichtweise ist allerdings insbesondere durch der Entscheidung des BFH, Pflichtteilsansprüche des Erblassers in jedem Fall bei der Bestimmung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigen zu wollen, zu Recht ins Wanken geraten.
Dogmatisch kann nämlich kein Zweifel bestehen, dass der Pflichtteilsanspruch (ebenso wie Erb- bzw. Vermächtnisansprüche) mit dem Tod des (ihn auslösenden) Erblassers entsteht (§ 2317 BGB), so dass er automatisch in das Vermögen des Pflichtteilsberechtigten eingegliedert wird – unabhängig davon, ob dieser dies wünscht oder eine Geltendmachung beabsichtigt.
Konsequenterweise muss der Anspruch im Falle des Todes des (ursprünglichen) Erben/Vermächtnisnehmers/Pflichtteilsberechtigten auch zu dessen Nachlass gehören. Schlägt dieser aus, verzichtet er auf die Geltendmachung oder erlässt er den Anspruch ausdrücklich oder durch Verjähren-Lassen, bildet dies jeweils eine (unentgeltliche) Zuwendung an den bzw. die verpflichteten Erben (was potenziell Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen kann).
Dass insoweit eine Friktion gegenüber dem Erbschaftsteuerrecht besteht, weil dieses die Ausschlagung nicht besteuert bzw. die Nicht-Geltendmachung des Pflichtteils ausdrücklich von der Besteuerung ausnimmt (§ 13 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG) und auch die Steuer auf den Pflichtteil erst mit dessen Geltendmachung entstehen lässt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), ändert an der zivilrechtlichen Situation nichts.
b) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
Rz. 23
Ansprüche auf Steuererstattungen fallen insgesamt in den Nachlass, wenn nur der Erblasser steuerpflichtige Einkünfte hatte.
Haben beide Ehegatten verdient, so wird empfohlen, eine Aufteilung nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen Einkünfte vorzunehmen. Richtiger ist es jedoch, wie bei der Behandlung dieser Ansprüche beim Zugewinnausgleich, diese im Verhältnis der Steuerbeträge aufzuteilen, die bei getrennter Veranlagung angesetzt worden wären, da nur so die unterschiedlichen subjektiven Umstände (Werbungskosten, Altersfreibeträge) und die Progressionswirkung des Einkommensteuertarifs hinreichend berücksichtigt werden.
Rz. 24
Spiegelbildlich zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten auch die rückständigen Steuerschulden des Erblassers, auch soweit sie noch nicht fällig oder auch noch nicht veranlagt sind. Dasselbe gilt für hiermit zusammenhängende Steuerberatungskosten und Zinsen, insbesondere Hinterziehungszinsen, die bis zum Todestag verwirkt wurden. Bei Zusammenveranlagung des Erblassers mit seinem Ehegatten (§ 26 EStG) haften sie beide im Außenverhältnis als Gesamtschuldner. Für die Pflichtteilsberechnung ist jedoch darauf abzustellen, ob der Erblasser im Innenverhältnis die Steuerschuld zu tragen hat; dies wird überwiegend danach beantwortet, wer das entsprechende Einkommen erzielte. Dies berücksichtigt jedoch nicht die "subjektiven Elemente" der Steuerveranlagung, so dass die Berücksichtigung nach den gleichen Kriterien erfolgen sollte, die auch für den Ansatz von Steuerrückerstattungen zu gelten haben. War der Erblasser dagegen der Alleinverdiener, so ist hinsichtlich seines Nachlasses die gesamte Einkommensteuerschuld anzusetzen.
Rz. 25
Ein nach § 10d EStG abziehbarer steuerlicher Verlustvortrag des Erblassers gehört nach neuer Rechtsprechung nicht zum Nachlass. Der Erbe bzw. die Erben können ihn nicht bei ihrer eigenen Einkommensteuer geltend machen. Vor diesem Hintergrund sind Verlustvorträge des Erblassers auch beim Pflichtteil nicht zu berücksichtigen. Bereits früher war ein Verlustabzug durch den Erben nicht in Betracht gekommen, wenn dieser die Haftung auf den Nachlass beschränkt hatte.