(1) Substanzwertverfahren
Rz. 185
Der Substanzwert ergibt sich aus der Summe der Wiederbeschaffungs- bzw. Reproduktionswerte aller zum Unternehmen gehörigen Vermögensgegenstände (Aktiva) abzüglich der Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten. Der Substanzwert orientiert sich grundsätzlich am Beschaffungsmarkt, nicht an den potenziell erzielbaren Veräußerungserlösen. Voraussetzung für die Bewertung nach dem Substanzwertverfahren ist, dass die Reproduktion, also der "Nachbau" des Unternehmens (aus der Sicht eines potenziellen Erwerbers) tatsächlich eine realistische Handlungsalternative darstellt. Tendenziell wird dies umso schwerer zu realisieren sein, je bedeutender die immateriellen Vermögensgegenstände (insbesondere der Firmenwert) für das Unternehmen sind, da diese nicht ohne weiteres von Dritten am Markt erworben werden können. In der Praxis kommt der "Nachbau" des Unternehmens meistens nicht in Betracht.
Rz. 186
Vor diesem Hintergrund haben auch die zivilrechtliche Rechtsprechung und das entsprechende Schrifttum ihre frühere Präferenz des Substanzwertverfahrens inzwischen aufgegeben. Das gilt auch für sog. Mittelwertverfahren, die im Grunde genommen eine Kombination aus Substanz- und Ertragswertmethode darstellen. Dem Substanzwert kommen nach heutigem Stand aber vielfältige Hilfsfunktionen zu.
Rz. 187
Ein Rückgriff auf das Substanzwertverfahren ist nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung auch in solchen Fällen angebracht, in denen das zu bewertende Unternehmen im Wesentlichen aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen besteht und sich im Betriebsvermögen vor allem Grundstücke befinden, die keine zukünftigen Erträge erwarten lassen, aber erhebliche stille Reserven bergen.
(2) Liquidationswertbestimmung
Rz. 188
Der Liquidations- oder auch Zerschlagungswert ist der Betrag, der nach Abschluss einer Liquidation des Unternehmens für dessen Eigner verbleibt. Er setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem Zerschlagungswert des Vermögens, dem Betrag der bei Zerschlagung noch zu bedienenden Schulden und den Liquidationskosten.
Rz. 189
Die Vermögensgegenstände des Aktivvermögens sind mit ihren jeweiligen – im Rahmen einer Liquidation erzielbaren – Veräußerungserlösen anzusetzen. Bei unveräußerlichen Gegenständen ist deren Schrottwert, ggf. sogar der (negative) Betrag der zu erwartenden Entsorgungskosten maßgeblich. Grundsätzlich ist das (kosten)günstigste Verwertungs- und Liquidationskonzept zugrunde zu legen.
Rz. 190
Die Posten der Passivseite sind nur insoweit anzusetzen, als die Verbindlichkeiten tatsächlich getilgt werden müssen. Insbesondere Rückstellungen, die wegen der Zerschlagung des Unternehmens nicht mehr benötigt werden (z.B. Instandhaltungs- oder Jubiläumsrückstellungen) sind aufzulösen. Die zu deckenden Schulden werden mit den jeweiligen Rückzahlungsbeträgen bewertet. Zu den Liquidationskosten zählen beispielsweise Aufwendungen aus Sozialplänen oder auch die bei der Aufdeckung stiller Reserven anfallenden Ertragsteuern.
Rz. 191
Übersteigt der Liquidationswert eines Unternehmens den Wert der bei Fortführung zu erwartenden Erträge bzw. der den Unternehmenseignern zufließenden Zahlungsströme, besteht die wirtschaftlich sinnvollste Handlungsalternative in der Durchführung der Liquidation. Vor diesem Hintergrund wird der Zerschlagungswert oftmals als Wertuntergrenze im Rahmen der Unternehmensbewertung (gerade bei kleinen und mittleren Betrieben) angesehen.
Soweit die Liquidation nicht tatsächlich durchgeführt wird, ist die Bestimmung des Zerschlagungswerts recht problematisch, da die Zerschlagungssituation nur schwer vorhergesehen werden kann.