Rz. 26
Der Voraus des überlebenden Ehegatten bei gesetzlicher Erbfolge (§ 1932 BGB) bleibt bei der Berechnung des Pflichtteils von Abkömmlingen und Elternaußer Betracht (Abs. 1 S. 2). Dadurch soll der überlebende Ehegatte geschützt werden. Der Pflichtteil wird dann also aus dem übrigen Nachlass berechnet. Daher sind die zum Voraus gehörenden Nachlassgegenstände als Passivposten zu berücksichtigen. Dies kann u.U. zu einer erheblichen Reduktion der Pflichtteilsbelastung führen. Voraussetzung ist allerdings, dass dem überlebenden Ehegatten der Voraus tatsächlich "gebührt". Das ist nicht der Fall, wenn der Erblasser seinem Ehegatten den Pflichtteil oder auch nur den Voraus wirksam entzogen hat oder wegen einer Erbunwürdigkeit kein Anspruch auf den Voraus besteht, wohl aber, wenn der Voraus ausgeschlagen wurde. Wird der überlebende Ehegatte kraft gewillkürter Erbfolge Allein- oder Miterbe, kommt ihm die Vergünstigung des Abs. 1 S. 2 nach h.M. ebenfalls nicht zugute, da § 1930 BGB an die gesetzliche Erbfolge anknüpft. Der BGH verweist aber den Ehegatten auf die isolierte Ausschlagung der gewillkürten Erbschaft mit Annahme der gesetzlichen Erbfolge (§ 1948 Abs. 1 BGB). Jedoch ist dies nicht unproblematisch: Die gesetzliche Erbfolge kommt nur zum Zuge, wenn bezüglich der gewillkürten weder eine (ausdrückliche, konkludente oder gesetzliche, § 2069 BGB) Ersatzerbenbestimmung noch wenigstens eine Anwachsung eintritt. Dabei ist zu beachten, dass etwa bei einem Berliner Testament (§ 2269 BGB) die Schlusserbeneinsetzung auch als Ersatzerbenbestimmung auf den Tod des Erstversterbenden angesehen werden kann.
Rz. 27
Zu berücksichtigen ist auch, dass nur beim Pflichtteil der Eltern der volle Voraus abgezogen werden kann, bei Abkömmlingen aber nur der zur angemessenen Haushaltsführung benötigte, sog. kleine Voraus (§ 1932 Abs. 1 S. 2 BGB). Wie groß dieser tatsächlich ist, bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und lässt sich nicht eindeutig vorausbestimmen. Der Pflichtteil des Ehegatten selbst errechnet sich aber immer aus dem Gesamtnachlass ohne den Voraus.
Rz. 28
Auch die Zugewinnausgleichsforderung des längerlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB bei der sog. güterrechtlichen Lösung geht dem Pflichtteilsanspruch vor, weil diese während der Ehe gleichsam verdient wurde. Auch wenn sich bei der güterrechtlichen Lösung die Erb- und Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber der erbrechtlichen Lösung in der Zugewinngemeinschaftsehe erhöht, schmälert also die Ausgleichsforderung den Wert ihrer Pflichtteilsansprüche u.U. erheblich ("taktische Ausschlagung"). Jedoch sind bei der Berechnung des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs auch die Anrechnungspflichten nach § 1380 BGB zu berücksichtigen. Gleiches gilt bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern im Vermögensstand der Zugewinngemeinschaft, denn hier gilt § 1371 BGB entsprechend (§ 6 S. 2 LPartG).
Rz. 29
Die zum Voraus sowie zum Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Ehegatten dargestellten Grundsätze gelten in gleicher Weise für den Voraus bzw. den Zugewinnausgleichsanspruch des überlebenden Lebenspartners einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Der eingetragene Lebenspartner wird pflichtteilsrechtlich wie ein Ehegatte behandelt (§ 10 Abs. 6 S. 2 LPartG).