aa) Grundsätzliches
Rz. 286
Bewertungsobjekt im Sinne des Pflichtteilsrechts ist – sofern nicht ein ganzes (einzelkaufmännisches) Unternehmen übergeht – die in den Nachlass gefallene oder wenigstens nach dem Tod des Erblassers fortgeführte gesellschaftsrechtliche Beteiligung. Deren gemeiner Wert kann sich in einem zeitnah zum Erbfall erfolgenden Verkauf manifestieren. Ist die Veräußerung die objektiv günstigste Verwertungsmöglichkeit und kommt der Kaufpreis unter den Bedingungen eines funktionierenden Marktes zustande, wird er regelmäßig dem gemeinen Wert entsprechen. In diesem Fall ist die Bewertung unproblematisch. Der Verkauf ist immer dann die wirtschaftlich günstigste Alternative, wenn der Verkaufserlös den objektiven Wert der Beteiligung übersteigt oder wenigstens erreicht. Nachfolgend geht es daher um die Frage nach der wirtschaftlich sinnvollsten Verwendungsmöglichkeit, da von ihr abhängt, wie viel der Anteil objektiv wert ist.
Rz. 287
Im Hinblick auf die Vielfalt der gesellschaftsrechtlich zulässigen Möglichkeiten, bestimmte Anteile mit besonderen Rechten auszustatten oder andererseits mit über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgehenden Verpflichtungen oder Beschränkungen zu belasten, ist aber oftmals eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Dabei ist insbesondere festzustellen, wie unterschiedliche Eigenschaften der Beteiligungen den jeweiligen Anteilswert beeinflussen.
Rz. 288
Vor diesem Hintergrund bildet die Anteilsbewertung eine eigenständige, über die reine Unternehmensbewertung hinausgehende Problematik. Dem begegnet die Betriebswirtschaftslehre mit zwei unterschiedlichen Methoden der Beteiligungsbewertung, nämlich der indirekten Methode, bei der der Anteilswert vom Wert des Gesamtunternehmens abgeleitet wird, und der direkten Methode, die eine unmittelbare Bewertung des Anteils zum Ziel hat.
bb) Methoden der Anteilsbewertung
Rz. 289
Bei der indirekten Methode entspricht die Summe aller Anteilswerte dem Wert des ganzen Unternehmens. Der Wert des einzelnen Anteils wird daher prinzipiell durch Multiplikation des Unternehmensgesamtwerts mit der jeweiligen Anteilsquote bestimmt. Zur Bestimmung der Anteilsquote ist nach zutreffender Auffassung der jeweilige Anteil am Ertrag maßgeblich, nicht etwa die Beteiligung am Gesellschaftskapital. Denn das aus dem Anteil "Herausholbare" wird in erster Linie durch den Gewinnanteil ausgedrückt.
Rz. 290
Aus dem so errechneten sog. quotalen Anteilswert lässt sich anschließend durch die Vornahme bestimmter Zu- und Abschläge für besondere Eigenschaften und/oder eine besondere gesellschaftsrechtliche Ausstattung des Anteils der Verkehrswert der Beteiligung ermitteln. Die Bestimmung der im konkreten Fall angemessenen Zu- und Abschläge bereitet aber in der Praxis aber erhebliche Probleme.
Rz. 291
Im Rahmen der direkten Methode werden das Unternehmen als Ganzes einerseits und der Anteil am Unternehmen andererseits als voneinander unabhängige Bewertungsobjekte angesehen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass, insbesondere bei größeren Gesellschafterkreisen, der Wert des Gesamtunternehmens für den einzelnen Gesellschafter nur von untergeordneter Bedeutung ist und es aus seiner Sicht vor allem auf die zu erwartenden Ausschüttungen und ggf. die mögliche Realisierung von Veräußerungsgewinnen im Falle des Anteilsverkaufs ankomme. Somit gilt – vereinfacht ausgedrückt – nach der direkten Methode der Barwert der zu erwartenden Zahlungsströme zwischen Unternehmen und Anteilseigner als Wert der Beteiligung. Diese Betrachtungsweise kann ohne weiteres dazu führen, dass die rechnerische Summe der so ermittelten Anteilswerte nicht mit dem Wert des Gesamtunternehmens übereinstimmt. Die direkte Methode wird in der betriebswirtschaftlichen Praxis bevorzugt zur Kaufpreisfindung bei Beteiligungsakquisitionen eingesetzt, da es hier vor allem auf die dem Anteilseigner voraussichtlich zufließenden Zahlungsströme bzw. deren Vergleich mit einer Alternativinvestition ankommt.