Rz. 295
Unterschiede zwischen dem quotalen Anteil des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen und dem ihm zustehenden Gewinnanteil können ohne weiteres gesellschaftsvertraglich vereinbart werden. In § 722 BGB hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass in der GbR die Gewinne im Zweifel nicht entsprechend den geleisteten Einlagen, sondern nach Köpfen unter den Gesellschaftern verteilt werden. Diese Regelung hat zur Folge, dass den Inhabern geringerer Beteiligungen am Gesellschaftskapital überproportionale (disquotale) Gewinnbezugsrechte zustehen. Auch für die OHG existiert eine ähnliche Regelung: § 121 Abs. 1 S. 1 HGB normiert, dass jedem Gesellschafter ein Gewinnvoraus in Höhe von jährlich 4 % seines Kapitalanteils zustehen soll. Nur der nach Befriedigung der den einzelnen Gesellschaftern zustehenden Gewinnvoraus-Ansprüche verbleibende Jahresüberschuss ist gem. § 121 Abs. 2 HGB (wiederum nach Köpfen) unter den Gesellschaftern zu verteilen. In ähnlicher Weise gilt dies über § 168 HGB auch für die KG. Die vorgenannten Regelungen sind aber allesamt dispositiv, so dass die Gesellschafter die Möglichkeit haben, auch anderweitige gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zu treffen. Auch in GmbH-Satzungen können disquotale Gewinnbezugsrechte vereinbart werden. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG erlaubt ausdrücklich Abweichungen von dem in § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG fixierten Grundsatz, dass die Gewinnverteilung entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu erfolgen hat. Schließlich kann im Aktienrecht über §§ 60 Abs. 3 AktG ein vom Aktiennennbetrag abweichender Gewinnverteilungsschlüssel satzungsmäßig geregelt werden.
Rz. 296
Nach zutreffender Ansicht der Rechtsprechung ist für den Wert des Anteils der zwischen Unternehmen und Anteilseigner fließende Entnahmestrom entscheidend. Daher muss nach h.M. zur Anteilsbewertung mit Hilfe der indirekten Methode die Quote, mit der der jeweilige Anteil am Wert des Gesamtunternehmens teilhat, von vornherein anhand der Gewinnanteilsquote bestimmt werden.
Rz. 297
Auch der Umfang des Beteiligungsanteils ist immer dann als wertbildender Faktor anzusehen, wenn von ihm die Möglichkeit abhängt, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und somit auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und die Gewinnverteilungspolitik aktiv Einfluss zu nehmen. Dies gilt grundsätzlich für sämtliche Gesellschaftsformen.
Rz. 298
Soweit also Paketzuschläge oder Minderheitenabschläge im Einzelfall aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sind, sind sie auch in die Bewertung der Beteiligung für pflichtteilsrechtliche Zwecke mit einzubeziehen.
Rz. 299
Aus einer unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Ausstattung der einzelnen Anteile kann sich eine besondere Machtstellung einzelner Gesellschafter ergeben. So eröffnet bei Aktiengesellschaften § 12 AktG ausdrücklich die Möglichkeit, stimmrechtslose Vorzugsaktien auszugeben, also die Anteile mit unterschiedlichen Herrschaftsrechten auszustatten. Dieselbe Möglichkeit besteht im Ergebnis auch bei der GmbH sowie bei Personengesellschaften.
Rz. 300
Die Rechtsprechung zum Aktienrecht geht grundsätzlich davon aus, dass die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten, die Stammaktien einerseits und Vorzugsaktien andererseits gewähren, auf die Bewertung durchschlagen. Im Hinblick auf die Zielsetzung der Bewertung im Pflichtteilsrecht, nämlich den wirklichen Wert der Anteile zu ermitteln, müssen dieselben Grundsätze auch hier Anwendung finden. Dasselbe gilt auch für GmbH-Anteile.
Rz. 301
Soweit die zu bewertenden Anteile Veräußerungsbeschränkungen unterliegen, muss die Frage eines Wertabschlags vor dem Hintergrund der weiteren Verwendung des Anteils gesehen werden. Ist aus der Sicht des (idealen) Erben eine rasche Veräußerung des Anteils angezeigt, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen einer bestehenden Veräußerungsbeschränkung in vollem Umfang bei der Bewertung zu berücksichtigen. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass der Anteil lediglich mit seinem Klauselwert anzusetzen ist.
Rz. 302
Auch die Möglichkeit, den Erben (in seiner Stellung als neuer Gesellschafter) aus der Gesellschaft auszuschließen bzw. seinen Anteil einzuziehen, wirkt sich nur dann auf den Anteilswert aus, wenn für diesen Fall eine unter dem Verkehrswert liegende Abfindung bzw. ein entsprechend niedriges Einziehungsentgelt vorgesehen ist. Soweit der entsprechende Gesellschaftsvertrag in zulässiger und wirksamer Weise die für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft zu zahlende Abfindung beschränkt, darf dies – u.U. – bei der Bewertung nicht unberücksichtigt bleiben. Denn sonst ergäbe sich für den Erben das Risiko, dass einerseits im Rahmen der Pflichtteilsberechnung der volle Wert der Beteiligung in Ansatz gebracht würde, andererseits aber im Falle eines späteren Ausscheidens aus der Gesellschaft lediglich der (deutlich geringere) Abfindungsbetrag realisiert werden könnte. Eine eindeuti...