Rz. 10
Zusätzlich zu den vorgenannten qualitativen Anforderungen an den Betrieb setzt die Landguteigenschaft auch dessen Leistungsfähigkeit voraus, also seine Fähigkeit, am Markt wirtschaftlich bestehen zu können. Dafür ist zwar eine "gewisse Größe" erforderlich. Das Gesetz schreibt aber weder eine Mindestgröße noch einen absoluten Mindestwirtschaftswert vor.
Grundsätzlich wird man davon ausgehen müssen, dass ein Landgut für seinen Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen muss, ohne dass aber eine sog. Ackernahrung vorliegen muss. Die Deckung wenigstens eines erheblichen Teils des Lebensunterhalts des Betreibers genügt. Reine "Hobby-Betriebe" erfüllen diese Anforderung nicht.
Ob die Bewirtschaftung des Gutes wirtschaftlich sinnvoll ist oder ob eine andere als die landwirtschaftliche Nutzung ökonomisch ertragreicher zu gestalten wäre, bspw. durch die Umqualifizierung landwirtschaftlicher Flächen in Bauland, spielt keine Rolle. Nur im Falle einer wirtschaftlichen Unvertretbarkeit der Betriebsfortführung, also wenn auf Dauer kein genügend positives Betriebsergebnis erzielt werden kann, ist zwingend vom Verkehrswert auszugehen, § 2312 BGB also nicht anwendbar.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Erbfall. Ist der Erblasser Eigentümer zweier oder mehrerer Landgüter, wird die Anwendbarkeit von § 2312 BGB teilweise abgelehnt, was aber im Zweifel mit den agrarpolitischen Zielsetzungen der Vorschrift nicht vereinbar ist, selbst wenn es hierdurch im Ergebnis zu massiven Begünstigungen des Übernehmers kommen kann.
Rz. 11
Die vorstehend dargestellten Grundsätze bergen für die praktische Anwendung insbesondere zwei wesentliche Probleme: Zum einen ist die Frage zu klären, ob insbesondere landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe überhaupt noch als Landgüter i.S.d. § 2312 BGB anzusehen sind. Zum anderen stellt sich bei Bejahung der Landguteigenschaft die Folgefrage, welchen konkreten Umfang das Landgut hat.
Da nach h.M. neben Vollerwerbsbetrieben auch Nebenerwerbslandwirtschaften als Landgüter zu qualifizieren und damit bewertungsmäßig privilegiert sein können, kommt der Frage der Ertragskraft und der Abgrenzung ausreichend ertragbringender von unwirtschaftlichen Betrieben erhebliche Bedeutung zu. Insoweit wird teilweise das Abstellen auf Kriterien wie die Tragung berufstypischer Risiken oder die Orientierung des zu fordernden Mindesteinkommens der bäuerlichen Familie an den entsprechenden Sozialhilfesätzen vorgeschlagen. Ob dies tatsächlich zu angemessenen Ergebnissen führt, erscheint aber zweifelhaft. Allgemeingültige Kriterien lassen sich kaum ausmachen.
Rz. 12
Eine (vorübergehende) Verpachtung des Betriebs vor der Übergabe führt grundsätzlich nicht zum Verlust der Landguteigenschaft (Interimsverpachtung). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine realisierbare Absicht des Übernehmers besteht, den Betrieb selbst wieder aufzunehmen und dauerhaft fortzuführen.