Rz. 5
Gem. Abs. 3 muss der Übernehmer dem Kreis der nach § 2303 BGB pflichtteilsberechtigten Personen angehören. Dabei reicht aber eine "abstrakte" Pflichtteilsberechtigung aus; dass dem Übernehmer nach § 2309 BGB im konkreten Fall tatsächlich ein Pflichtteilsanspruch zusteht, ist nicht erforderlich. Allerdings muss er nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich Gesamtrechtsnachfolger, also Erbe sein; ein Übergang des Landguts aufgrund Vermächtnisanordnung eröffnet nicht die Anwendbarkeit von § 2312 BGB. Ist das Landgut aber Gegenstand eines Vorausvermächtnisses, ist dies für die Anwendung von § 2312 BGB unschädlich, da der Übernehmer in dieser Situation Erbe geworden und durch das Vermächtnis lediglich gegenüber den übrigen Miterben privilegiert wird, da er – anders als im Falle einer Teilungsanordnung – das Gut neben dem ihm im Übrigen hinterlassenen Erbteil erhalten soll.
Rz. 6
Soweit das Landgut lebzeitig übertragen und der Übernehmer später gar nicht Erbe wird, ist fraglich, wie ein etwaiger Pflichtteilsergänzungsanspruch zu berechnen ist. Zum einen kommt eine Berechnung auf Verkehrswertbasis in Betracht, zum anderen eine Art "gespaltene" Berechnung, in die im Falle der Inanspruchnahme des Erben (nach § 2325 BGB) der Verkehrswert und im Falle der Inanspruchnahme des Beschenkten (nach § 2329 BGB) der Ertragswert einbezogen wird. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der ratio der Vorschrift wird man im Ergebnis davon ausgehen müssen, dass nur ein einheitlicher Berechnungsmodus zu nachvollziehbaren und stringenten Ergebnissen führen kann.
Insoweit ist davon auszugehen, dass § 2312 BGB jedenfalls analog anzuwenden ist, soweit im Zeitpunkt des Erbfalls (nicht zwingend bereits zum Zeitpunkt der Übertragung; vgl. Rdn 4) die Landguteigenschaft besteht. Das Ertragswertprivileg muss in diesen Fällen auch zugunsten des nicht das Landgut übernehmenden Erben anwendbar sein, und zwar unabhängig davon, ob der Landgut-Übernehmer später Erbe wird oder nicht. Dies gilt umso mehr, als im Falle der Inanspruchnahme des (selbst pflichtteilsberechtigten) Übernehmers nach § 2329 BGB zu dessen Gunsten in jedem Fall eine Berufung auf § 2312 BGB möglich wäre.
Rz. 7
Die Anwendbarkeit von § 2312 BGB setzt in jedem Fall voraus, dass das Landgut lediglich auf einen (einzigen) Erwerber übergeht, nicht auf mehrere. Dies ergibt sich zum einen aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ("einer von mehreren Erben") und entspricht zum anderen auch dem Gesetzeszweck, den Erhalt leistungsfähiger Wirtschaftseinheit und die Vermeidung deren Zersplitterung durch Teilungsversteigerung zu gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund ist § 2312 BGB nicht anwendbar, wenn
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nur ein Miteigentumsbruchteil an einem Landgut zugewendet wird, |
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mehrere Pflichtteilsberechtigte das Landgut im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (gemeinsam) zu Bruchteilseigentum erhalten, |
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das Landgut an eine Erbengemeinschaft ohne Einräumung eines Übernahmerechts fällt, |
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ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling mit seinem Ehegatten in Bruchteilseigentum erwirbt. |
Unproblematisch ist die Anwendung von § 2312 BGB hingegen, wenn – wie gesetzlich vorgesehen – das Landgut an einen einzigen Erwerber übertragen oder vererbt wird, der anschließend einen Miteigentumsanteil an seinen Ehegatten überträgt. Ebenso sollte die Rechtslage sich darstellen, wenn das Landgut durch Übergabe an ein in Gütergemeinschaft verheiratetes Kind in das Gesamtgut übergeht.
Rz. 8
Gehört das Landgut auf Erblasser- bzw. Übergeberseite zum Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft, steht dies nach zutreffender und ganz überwiegender Ansicht der Anwendbarkeit von § 2312 BGB nicht entgegen. Das gilt nicht nur für den Fall der lebzeitigen Übertragung durch beide Ehegatten gemeinsam, sondern auch dann, wenn sich die Ehegatten, z.B. durch einen "klassischen Ehe- und Erbvertrag", gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, so dass im ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge ausgelöst werden. Soweit eine entsprechende Anordnung getroffen wurde, ist bei deren Berechnung der Ertragswert zugrunde zu legen.