Rz. 17
Soweit sich die rechtliche und/oder tatsächliche Situation gegenüber der nach § 2313 BGB zugrunde gelegten Lage nachträglich verändert, sieht das Gesetz eine Anpassung der Pflichtteilsberechnung und etwa bereits geleisteter Zahlungen vor.
Im Rahmen dieser nachträglichen Korrektur kann es sowohl zu einer Pflichtteilserhöhung als auch zu einer entsprechenden Minderung kommen. Im Ergebnis ist der Pflichtteilsberechtigte so zu stellen, als ob die (zunächst zweifelhafte) Bedingung bereits im Zeitpunkt des Erbfalls eingetreten gewesen wäre bzw. eine ursprünglich bestehende Unsicherheit, Ungewissheit oder Zweifel nicht bestanden hätte. Die Bewertung richtet sich nach § 2311 BGB.
Entscheidend ist der Wegfall der anfangs bestehenden Zweifelhaftigkeit, nicht unbedingt die tatsächliche Realisierung einer Forderung. Denn ob der Erbe beispielsweise eine zunächst zweifelhafte, später aber unzweifelhaft realisierbare Forderung (aus persönlichen Gründen) tatsächlich nicht einzieht, spielt für die Anwendung von § 2313 BGB keine Rolle. Denn ein pflichtwidriges Unterlassen (oder anderweitig unsinniges Verhalten) führt aus der Sicht des Pflichtteilsberechtigten zu einem Schadensersatzanspruch gegenüber dem Erben (der durch sein Verhalten den Umfang des pflichtteilsrelevanten Nachlasses schmälert). Im Übrigen ist der Erbe nach Abs. 2 S. 2 ausdrücklich verpflichtet, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung für die Feststellung und Durchsetzung von unsicheren Rechten zu sorgen.
Soweit der Pflichtteilsberechtigte bereits mehr erhalten hat, als ihm zusteht (z.B. weil eine zweifelhafte Verbindlichkeit nicht in die ursprüngliche Berechnung Eingang gefunden hatte), ist er verpflichtet, den ihm tatsächlich nicht (mehr) zustehenden Betrag an den Erben wieder herauszugeben.
Rz. 18
Wichtig ist, auch im Rahmen der nachträglichen Korrektur alle betroffenen Vermögens- oder Schuldpositionen aus der Sicht des Stichtags zu bewerten. Zwischenzeitlich eingetretene Wertveränderungen sind auszuklammern. Der seit dem Erbfall eingetretene Kaufkraftschwund soll aber berücksichtigt werden. Anschließend wird der ursprünglich der Pflichtteilsberechnung zugrunde gelegte Nachlasswert um die nun zusätzlich anzusetzenden (oder nicht anzusetzenden) und entsprechend bewerteten Vermögensgegenstände/Schuldposten ergänzt/bereinigt und sodann auf der Grundlage dieses korrigierten Netto-Nachlasses der Pflichtteil neu berechnet. Die Differenz gegenüber dem zuvor vorläufig berechneten Pflichtteil bildet den Ausgleichsbetrag nach Abs. 1 S. 3.
Die Ausgleichsforderung des Pflichtteilsberechtigten – also im Falle einer Pflichtteilserhöhung – ist unstreitig und offensichtlich pflichtteilsrechtlicher Natur, so dass für sie grundsätzlich auch die allgemeinen pflichtteilsrechtlichen Verjährungsregeln gelten, z.B. ggf. auch die Frist nach § 2332 BGB. Allerdings beginnt die Verjährung insoweit nicht vor Eintritt der Bedingung, der Sicherheit oder Gewissheit.
Die Rechtsnatur der Ausgleichsforderung des Erben, die diesem im Falle einer Pflichtteilsreduzierung zusteht, ist hingegen umstritten. Während eine Auffassung einen bereicherungsrechtlichen Anspruch annimmt, gehen andere zutreffend von einem pflichtteilsrechtlichen Anspruch sui generis aus.
Der Rückgriff auf das Bereicherungsrecht hätte insbesondere den Nachteil, dass der Pflichtteilsberechtigte sich nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen könnte. Dem könnte zwar ggf. § 819 Abs. 1 BGB entgegengehalten werden, an den wirtschaftlichen Risiken des Erben würde dies aber nichts ändern.
Sowohl vor diesem Hintergrund als auch aus systematischen Erwägungen ist der Qualifikation (auch) des Ausgleichsanspruchs des Erben als pflichtteilsrechtlicher Anspruch eigener Art beizupflichten.