Rz. 4
Die Anrechnungsbestimmung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die der Erblasser spätestens bei der Zuwendung getroffen haben muss. Sie kann auch vorher für eine oder mehrere später noch folgende Zuwendungen erfolgen. Hat der Erblasser die Anrechnungsbestimmung lediglich in einer letztwilligen Verfügung angeordnet, so genügt dies nicht. Zwar muss die Erklärung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch stillschweigend ergehen. Sie muss dem Zuwendungsempfänger aber bewusst werden, d.h., der Erblasser muss sich so verhalten haben, dass für den Pflichtteilsberechtigten spätestens bei Hingabe der Zuwendung deutlich wurde, dass diese mit einer Anrechnungsbestimmung versehen war. Der Pflichtteilsberechtigte muss die Möglichkeit haben, die konkrete, mit dieser Anordnung versehene Zuwendung anzunehmen. Unterlässt es der Erblasser, die Zuwendung mit einer Anrechnungsbestimmung zu versehen, kann er dies später nicht mehr nachholen. Einer späteren Bestimmung muss der Pflichtteilsberechtigte in der für den Pflichtteilsverzicht vorgeschriebenen Form (§§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB) zustimmen. Nicht ausreichend ist es, wenn die nachträgliche Anrechnungsbestimmung lediglich privatschriftlich erfolgt. Wegen des erbrechtlichen Typenzwangs handelt es sich bei einer solchen Erklärung nicht um einen wirksamen Vertrag sui generis über die Anrechnungspflicht. Etwas anderes gilt im Hinblick auf eine nachträgliche Anordnung nur dann, wenn sich der Erblasser vorbehalten hatte, die Zuwendung nachträglich anrechenbar zu machen Die Anrechnungsbestimmung kann ausnahmsweise auch dann noch nachträglich erfolgen, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung nach den §§ 2333 ff. BGB und eine entsprechende Verfügung von Todes wegen vorliegen. Eine Anrechnungsbestimmung kann der Erblasser formlos oder durch einseitige Verfügung, auch von Todes wegen, wieder aufheben. Eine Anrechnungsbestimmung bei einer Zuwendung an einen Minderjährigen stellt keinen rechtlichen Nachteil i.S.d. § 107 BGB dar und steht einer gerichtlichen Genehmigung nach § 1821 BGB nicht entgegen.
Rz. 5
Aus der Formulierung "Anrechnung auf den Erbteil" lässt sich nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung ziehen, der Erblasser habe die Zuwendung mit einer Anrechnungsbestimmung nach § 2315 BGB versehen. Vielmehr muss sich aus weiteren Anhaltspunkten ergeben, dass der Wille des Erblassers darauf gerichtet war, dass sich der Pflichtteilsberechtigte die Zuwendung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss. Erfolgt eine Zuwendung "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich", ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, was der Erblasser wollte, d.h., ob er eine Ausgleichung gem. §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, eine Anrechnung gem. § 2315 Abs. 1 BGB oder kumulativ Ausgleichung und Anrechnung gem. § 2316 Abs. 4 BGB anordnen wollte. Maßgeblich für den Willen des Erblassers ist, ob er mit seiner Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers mit bloßer Pflichtteilsberechtigung festlegen – was für eine Anrechnung spricht – oder nur klarstellen wollte, dass der Empfänger lediglich zeitlich vorgezogen bedacht wird, es im Übrigen aber bei den rechtlichen Wirkungen einer Zuwendung im Erbfall verbleiben soll, was dann für eine Ausgleichung spricht.