I. Voraussetzungen der Ausgleichung
1. Vorhandensein mehrerer Abkömmlinge
Rz. 3
Eine Ausgleichung nach §§ 2316 Abs. 1, 2050 ff. BGB findet nur unter Abkömmlingen statt. Voraussetzung nach Abs. 1 ist daher, dass der Erblasser mehrere Abkömmlinge hinterlässt. Neben dem pflichtteilsberechtigten Abkömmling muss demnach noch mindestens ein weiterer Abkömmling vorhanden sein. Abkömmlinge sind diejenigen Personen, die direkt vom Erblasser abstammen, also Kinder, Enkel, Urenkel usw. Vorhanden i.S.d. Vorschrift ist ein Abkömmling, wenn er bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge Erbe geworden wäre. Abkömmlinge, die von der Erbfolge ausgeschlossen sind, weil sie enterbt oder für erbunwürdig erklärt wurden oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, sind demnach "vorhanden" und werden bei der Berechnung der Pflichtteilsquote mitgezählt, § 2310 S. 1 BGB. Das Gleiche gilt für Abkömmlinge, denen der Pflichtteil entzogen wurde oder deren Pflichtteil durch die auszugleichende Zuwendung "verloren" geht. Vorhanden ist auch der Abkömmling, der alleine oder mit Dritten Erbe wird. Als nicht vorhanden i.S.d. § 2316 BGB gilt ein Abkömmling, der auf sein gesetzliches Erbrecht gem. § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB verzichtet hat, nicht jedoch ein Abkömmling, der unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts verzichtet hat. Gleichfalls nicht vorhanden ist ein Abkömmling, der mit dem Erblasser einen Vertrag über den vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934d BGB geschlossen hat.
2. Ausgleichungsverpflichtung
Rz. 4
Weitere Voraussetzung für eine Ausgleichung nach Abs. 1 ist, dass eine Zuwendung des Erblassers an einen Abkömmling bei hypothetischem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgleichungspflichtig wäre bzw. besondere Leistungen eines Abkömmlings i.S.d. § 2057a BGB zu berücksichtigen wären. Für die Berücksichtigung der Vorempfänge und die daraus resultierende Berechnung des Pflichtteilsanspruchs verweist § 2316 BGB auf die Vorschriften der §§ 2050 ff., 2057a BGB. Es kann insoweit auf die Erläuterungen zu §§ 2050 ff. BGB verwiesen werden. Für die Beantwortung der Frage, ob der Vorempfang auch ausgleichungspflichtig i.S.d. Pflichtteilsrechts ist, gelten allerdings Besonderheiten:
a) Ausstattung gem. §§ 1624, 2050 Abs. 1 BGB
Rz. 5
Ausstattungen des Erblassers an einen seiner Abkömmlinge (§ 2050 Abs. 1 BGB) müssen bei der Pflichtteilsberechnung der übrigen Abkömmlinge berücksichtigt werden, Abs. 3. Eine abweichende Anordnung des Erblassers, wie sie i.R.d. gesetzlichen Erbfolge möglich ist, ist bei Abs. 1 unbeachtlich. Die nach Abs. 3 zwingend vorgeschriebene Ausgleichungspflicht kann nur durch einen formgültigen Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrag des Erblassers mit den übrigen Abkömmlingen ausgeschlossen werden. Abs. 3 will vermeiden, dass die Ausgleichungspflicht zum Nachteil eines Pflichtteilsberechtigten erfolgt. Für die Berechnung des Pflichtteils des Ausstattungsempfängers selbst kann ein Verzicht des Erblassers auf eine Ausgleichung Berücksichtigung finden. Größere Geldzuwendungen oder eine Bürgschaftsübernahme, die ein Pflichtteilsberechtigter zu Lebzeiten vom Erblasser erhält und die als Ausstattungen i.S.d.§ 1624 Abs. 1 BGB zu qualifizieren sind, können ggf. auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnen sein.
b) Zuwendungen i.S.d. § 2050 Abs. 2 BGB
Rz. 6
Abs. 3 gilt entgegen seinem Wortlaut auch für Zuwendungen des Erblassers i.S.d. § 2050 Abs. 2 BGB, da es sich hierbei nur eine Ergänzung zu § 2050 Abs. 1 BGB handelt. Zuschüsse zum Unterhalt und Ausbildungskosten müssen, sofern sie im Übermaß erfolgten, im Rahmen der Pflichtteilsberechnung also ebenfalls berücksichtigt werden.
c) Zuwendungen i.S.d. § 2050 Abs. 3 BGB
Rz. 7
Andere Zuwendungen als die nach § 2050 Abs. 1 und 2 BGB sind nur dann zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser dies spätestens bei der Zuwendung angeordnet hat. Eine später erfolgende Anordnung ist grundsätzlich wirkungslos, es sei denn, sie genügt den Voraussetzungen eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages. Eine spätere Anordnung der Ausgleichungspflicht ist möglich, wenn sich der Erblasser eine solche ausdrücklich vorbehalten hat oder sie sich nicht nachteilig auf den Pflichtteilsanspruch auswirkt.
Rz. 8
Wichtig ist, dass der Zuwendungsempfänger die Anordnung der Ausgleichungspflicht erkennt. Es steht dem Erblasser frei, die Ausgleichungspflicht auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge zu beschränken, das Pflichtteilsrecht aber unberührt zu lassen.
Rz. 9
Hat der Erblasser die Anordnung einmal getroffen, so kann er sie nur aufheben, indem er bestimmte Formerfordernisse einhält. Nach einhelliger Meinung kann er eine einmal angeordnete Ausgleichungspflicht bzgl. der gesetzlichen Erbfolge durch letztwillige Verfügung wieder rückgängig machen, indem er im Wege eines Vermächtnisses zugunsten des Zuwendungsempfängers verfügt. Ansonsten kann d...