1. Allgemeines
Rz. 10
Es steht dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich frei, den Anspruch geltend zu machen. Diese Entscheidungsfreiheit ist in § 852 Abs. 1 ZPO ausdrücklich vor den Interessen der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten geschützt. Die Nichtgeltendmachung führt allerdings nicht zur Erhöhung der Pflichtteilsquoten der übrigen Beteiligten.
Die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten, ob er den Anspruch geltend macht oder nicht, unterliegt Grenzen. So kann ein Pflichtteilsberechtigter aus unterhaltsrechtlichen Gründen unter Umständen verpflichtet sein, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners ist der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich zu berücksichtigen. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Anspruch geltend gemacht wurde oder nicht. Ein einklagbarer Anspruch auf Geltendmachung des Pflichtteils besteht nicht.
2. Pflichtteilsansprüche von Sozialhilfebeziehern
Rz. 11
Der Pflichtteilsanspruch ist ein grundsätzlich zur Bedarfsdeckung geeigneter Anspruch, der auf den Sozialleistungsträger übergehen oder von diesem eingezogen werden kann. Bezieht der Pflichtteilsberechtigte Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem SGB II, geht sein Pflichtteilsanspruch im Wege der Legalzession auf den Sozialhilfeträger über. Der Sozialhilfeträger kann bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII den Pflichtteilsanspruch nach § 93 SGB XII auf sich überleiten. Der Pflichtteilsanspruch kann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem auch geltend gemacht werden, ohne dass es insoweit auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme. Bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen trifft den Sozialhilfeträger die gleiche Darlegungslast wie den Pflichtteilsberechtigten selbst. Im Rahmen von Behindertentestamenten ist zu beachten, dass in Fällen, in denen das behinderte Kind infolge einer Verwirkungsklausel bei Geltendmachung des Pflichtteils seiner Erbeinsetzung für den Schlusserbfall verlustig geht, der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch dennoch auf sich überleiten kann, wenn sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass in diesen Fällen die Verwirkungsklausel nicht greift und das behinderte Kind infolgedessen im zweiten Erbfall nicht benachteiligt ist. Der Pflichtteilsanspruch ist nach Abs. 1 bereits mit dem Erbfall als Vollrecht begründet. Nach Auffassung des BSG zählt der Pflichtteilsanspruch daher zum Vermögen nach § 12 SGB II. Die Zuwendung eines Pflichtteils zählt zum Vermögen, wenn der Erbfall vor der Beantragung von Leistungen eingetreten ist. Ist die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs im Zeitraum nach der Stellung eines Antrages auf Leistungen nach dem SGB II erfolgt, stellt der Zufluss des Geldbetrags Einkommen dar.
3. Geltendmachung für Minderjährige
Rz. 12
Der Grundsatz der Entscheidungsfreiheit zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Pflichtteilsberechtigten selbst ist auch eingeschränkt, wenn der Pflichtteilsberechtigte minderjährig ist. In diesen Fällen wird der Pflichtteilsanspruch vom Sorgeberechtigten des Minderjährigen geltend gemacht. Der überlebende Ehegatte als Alleinerbe kann als Inhaber des Sorgerechts entscheiden, ob der Pflichtteilsanspruch minderjähriger Kinder des Erblassers geltend gemacht oder sichergestellt wird. Bei erheblichen Anhaltspunkten für einen Interessensgegensatz elterlicher Interessen und Interessen des Kindes kann das Familiengericht dem überlebenden Ehegatten insoweit die Vertretungsmacht entziehen, §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB, und eine Pflegschaft anordnen, § 1909 BGB. Grundsätzlich ist das aber nicht der Fall. Gefährdet der erbende Elternteil den Pflichtteilsanspruch des Kindes oder wurde ihm die Vermögenssorge entzogen, ist dem Kind jedoch ein Pfleger zu bestellen. In Fällen, in denen dem minderjährigen Pflichtteilsberechtigten der Anspruch gegen einen Elternteil zusteht, ist die Verjährung nach § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB gehemmt, sodass das Kind den Pflichtteilsanspruch bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres geltend machen und durchsetzen kann.
Rz. 13
Durch eine Anordnung nach § 1638 BGB kann der Erblasser die Eltern des Kindes von der Verwaltung des Vermögens, das dieses durch den Erbfall erwirbt, ausschließen, was letztendlich einem Entzug der Vermögenssorge gleichkommt. Dies hat z...