Rz. 66
Wann Leistungen im Hinblick auf die Unterhalts- oder Alterssicherung nicht mehr als unentgeltlich anzusehen sind, hat der BGH nicht allgemeingültig entschieden. Vielmehr weist er darauf hin, dass im jeweiligen Einzelfall "eine umfassende Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse erfolgen" müsse. Dabei sind die Lebensverhältnisse der Eheleute vor dem Erbfall mit den (ohne die Zuwendung zu erwartenden) des überlebenden Bedachten nach dem Erbfall zu vergleichen. Vor diesem Hintergrund kann bspw. die Beteiligung an einer Wertpapieranlage zur Alterssicherung unter bestimmten Umständen als nicht unentgeltlich anzusehen sein. Dieser Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass der Erblasser aus seinem Verdienst ein Wertpapierdepot für die gemeinsame Altersvorsorge beider Ehegatten angelegt hatte. Die Ehefrau konnte nach der Heirat keine eigene Berufstätigkeit ausüben und hatte daher auch nicht die Möglichkeit, sich eine eigene Alterssicherung zu schaffen. Darüber hinaus hatten die Ehegatten Gütertrennung vereinbart, so dass der Ehefrau auch kein Anspruch auf Zugewinnausgleich zugestanden hätte. Der BGH kam daher zu dem Schluss, dass die Zuwendung der Hälfte der Wertpapieranlage als Alterssicherung gemessen an den Einkommensverhältnissen der Eheleute und an der von der Ehefrau geleisteten Arbeit als nicht unentgeltlich anzusehen sei.
Rz. 67
Allg. übertragbare Grundsätze sind dies jedoch leider nicht. Allg. kann aber wohl festgehalten werden, dass es im Ergebnis keinen Unterschied machen darf, ob die Versorgung durch Begründung von Rentenrechten in einer Sozialversicherung, durch Abschluss einer Privatversicherung oder durch Begründung oder Übertragung von ertragbringenden Vermögensanlagen bzw. die Einräumung von Nutzungsrechten an Vermögen erfolgt. Voraussetzung ist aber wohl, dass periodisch wiederkehrende Nutzungen gezogen oder entsprechende Leistungen erspart werden. Auch die Übertragung einer Wohnung oder eines Hauses kann zur Alterssicherung in Betracht kommen. Diese Auslegung muss vor allem in den Fällen gerechtfertigt sein, in denen die selbstgenutzte Immobilie den wesentlichen Teil des Vermögens bildet und ihre Übertragung daher die einzige Möglichkeit zur Alterssicherung des Ehegatten darstellt. Dies ist in der Praxis nicht selten der Fall.
Dessen ungeachtet scheitert die Pflichtteilsfestigkeit oft (regelmäßig) an der fehlenden Angemessenheit der Zuwendung, so dass die Übertragung des Familienheims (oder eines Miteigentumsanteils) i.d.R. ergänzungspflichtig ist.
Rz. 68
Problematisch ist auch die Frage, welche Höhe eine angemessene Altersvorsorge haben kann bzw. wonach sie zu bemessen ist. Der BGH führt hierzu lediglich aus, dass bei der Prüfung der Einkommensverhältnisse berücksichtigt werden müsse, in welchem Umfang für die Zukunft des Ehegatten und dessen Altersversorgung bereits vorgesorgt war“. Soweit eine ausreichende Versorgung bereits gewährleistet sei, müsse jede weitere Zuwendung als unentgeltliche Leistung angesehen werden. Konkrete Angaben, wie hoch eine Altersversorgung sein darf bzw. sein muss und woran sie zu messen ist, hat der BGH dabei aber nicht gemacht.
Zutreffenderweise wird man davon ausgehen dürfen, dass auch eine über die unterhaltsrechtlich geschuldete Absicherung hinausgehende Altersvorsorge ergänzungsfest ist, soweit sie bei großzügiger Würdigung der Verhältnisse nicht überzogen erscheint.
Rz. 69
Im Übrigen sollte jedenfalls dann eine ergänzungsfeste Zuwendung anzunehmen sein, wenn ohne die Vermögensübertragung die Sozialhilfebedürftigkeit drohen würde. Ist der Ehegatte bereits ausreichend versorgt, z.B. durch eine eigene Altersrente, ist wenigstens fraglich, ob die zusätzliche Einräumung einer weiteren vermögenswerten Position noch der Alterssicherung dient oder als unentgeltliche Zuwendung anzusehen ist. In erster Linie hängt dies davon ab, ob von einem durchschnittlichen Standard auszugehen ist oder die Betrachtung am konkreten Lebensstandard der Eheleute orientiert werden muss, wie es der BGH anscheinend vorsieht.Klingelhöffer regt hierzu an, die Höhe der der Alterssicherung dienenden Zuwendung am Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten zu bemessen. Weiterhin sei aber auch darauf zu achten, ob die Altersvorsorge bereits durch die Erträge des Zugewendeten gesichert werde, oder ob auch die Substanz selbst zur Alterssicherung eingesetzt werden müsste.