Rz. 8
Der Schenkungsbegriff des Abs. 1 ist grundsätzlich identisch mit dem der §§ 516, 517 u. 1624 BGB. Kumulativ müssen eine objektive Bereicherung des Dritten und die subjektive Einigung zwischen Erblasser und Zuwendungsempfänger über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung, § 516 Abs. 1 BGB, vorliegen. Insoweit genügt eine "Parallelwertung in der Laiensphäre". Im Hinblick auf die das Schuldrecht beherrschende Privatautonomie reicht aber das bloße Fehlen der objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung für die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung nicht aus. Dies hat allerdings Grenzen: Eine objektiv fehlende Gegenleistung kann nämlich auch durch den Parteiwillen nicht ersetzt werden. Der Parteiwille ist dann nicht maßgeblich, wenn er jeglicher sachlicher Grundlage entbehrt und auf reiner Willkür beruht. Der BGH geht insoweit davon aus, dass eine über ein geringes Maß hinausgehende tatsächliche Diskrepanz der Werte von Leistung und Gegenleistung für eine tatsächliche, allerdings widerlegbare, Vermutung zugunsten eines Schenkungswillens der Parteien spreche. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist ausschließlich der Zeitpunkt der Zuwendung, später eintretende Wertverschiebungen wirken sich grundsätzlich (vorbehaltlich späterer Anpassungen von Leistung und Gegenleistung) nicht aus. Da durch ein formwirksames Schenkungsversprechen eine Forderung des Beschenkten entsteht, zu deren Erfüllung auch der Erbe als Rechtsnachfolger verpflichtet ist (Nachlassverbindlichkeit), kann auch ein solches Versprechen Ergänzungsansprüche gem. § 2325 BGB auslösen. Auch die vollzogene Schenkung auf den Todesfall (§ 2301 BGB) ist Schenkung i.S.v. § 2325 BGB. Dasselbe gilt auch für die Vorausleistung eines Vermächtnisgegentandes.
Rz. 9
Voraussetzung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist, dass die Schenkung grds. wirksam ist. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass ein Schenkungsvertrag, den der Erblasser bewusst zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten abschließt, nicht wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nichtig ist. Auch ein zunächst formunwirksamer Schenkungsvertrag, der erst nach dem Tod des Erblassers geheilt wird (§ 518 Abs. 2 BGB), stellt eine Schenkung i.S.v. § 2325 BGB dar.
Rz. 10
Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Schenkung vorliegt oder nicht, ist nicht unbedingt die ursprüngliche Vereinbarung im Zeitpunkt der Ausführung einer Zuwendung. Nachträgliche Entgeltabreden sind schuldrechtlich ohne weiteres zulässig und auch im Rahmen von § 2325 BGB zu berücksichtigen. Wird also nachträglich ein vollwertiges Entgelt als Gegenleistung für eine zunächst unentgeltlich ausgeführte Zuwendung vereinbart, steht dem Pflichtteilsberechtigten insoweit kein Ergänzungsanspruch zu. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das vereinbarte Entgelt im Zeitpunkt des Erbfalles bereits geleistet wurde oder sich die entsprechende Forderung im Nachlass befindet (es sei denn, die Forderung war bereits bei ihrer Begründung wirtschaftlich wertlos). Nach dem Tod des Erblassers/Schenkers sind keine Änderungen mehr möglich.
Rz. 11
Eine nachträgliche Entgeltlichkeit der Zuwendung kann auch dadurch begründet werden, dass diese – im Verhältnis zwischen in Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten – gem. § 1380 Abs. 1 BGB auf den Zugewinnausgleichsanspruch angerechnet wird. Dies gilt sowohl in den Fällen einer späteren Ehescheidung als auch dann, wenn einvernehmlich ein Güterstandswechsel vorgenommen und aus diesem Anlass ein (tatsächlicher) Zugewinnausgleich durchgeführt wird.
Rz. 12
Gem. § 517 BGB liegt keine Schenkung vor, wenn der "Schenker" einen Vermögenserwerb unterlässt, z.B. indem er eine Erbschaft oder ein Vermächtnis ausschlägt, seinen Pflichtteilsanspruch nicht geltend macht oder ein ihm zustehendes Vorkaufsrecht nicht ausübt. Gleiches gilt für das Verjährenlassen einer Forderung sowie für den Verzicht auf ein vorbehaltenes Rückforderungsrecht. Auch die (selbst langfristig bzw. auf Lebenszeit angelegte) Leihe i.S.v. § 598 BGB soll keine ergänzungspflichtige Schenkung darstellen, ebenso wenig die Gewährung eines zinslosen Darlehens.